Schlussakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899. 443
Art.8. Die Signatarmächte sind einverstanden, unter Umständen,
die dies gestatten, die Anwendung einer besonderen Vermittelung in
folgender Form zu empfehlen:
Bei ernsten, den Frieden gefährdenden Streitfragen, wählt jeder der
im Streite befindlichen Staaten eine Macht, die er mit der Aufgabe betraut,
in unmittelbare Verbindung mit der von der anderen Seite gewählten
Macht zu treten, um den Bruch der friedlichen Beziehungen zu verhüten.
Während der Dauer dieses Auftrags, die, unbeschadet anderweitiger
Abrede, eine Frist von dreissig Tagen nicht überschreiten darf, stellen die
streitenden Staaten jedes unmittelbare Benehmen über den Streit ein,
welcher als ausschliesslich den vermittelnden Mächten übertragen gilt.
Diese sollen alle Bomühungen aufwenden, um die „roitfrage zu erledigen.
Kommt es zum wirklichen Bruche der friedlichen Beziehungen, 50
bleiben diese Mächte mit der gemeinsamen Aufgabe betraut, jede Gelegen-
heit zu benutzen, um den Frieden wiederherzustellen.
Dritter Titel. Internationale Untersuchungskommissionen.
Art. 9. Bei internationalen Streitigkeiten, die weder die Ehre noch
wesentliche Interessen berühren und einer verschieden,n Würdigung von
Thatsachen entspringen, erachten die Signatarmächte es für nützlich, dass
die Parteien, die sich auf diplomatischem Wege nicht haben einigen können,
soweit es die Umstände gestatten, eine internationale Untersuchungs-
kommission einsetzen mit dem Auftrage, die Lösung dieser Streitigkeiten
zu erleichtern, indem sie durch eine unparteiische und gewissenhafte
Prüfung die Tbatfragen aufklären.
Art. 10. Die internationalen Untersuchungskommissionen werden
durch besonderes Abkommen der streitenden Theile gebildet.
Das Untersuchungsabkommen bestimmt die zu untersuchenden That-
sachen und den Umfang der Befugnisse der Kommissare.
Es regelt das Verfahren.
Die Untersuchung erfolgt kontradiktorisch.
Die zu wahrenden Formen und Fristen werden, soweit sie nicht
durch das Untersuchungsabkommen festgesetzt sind, durch die Kommission
selbst bestimmt.
Art. 11. Die internationalen Untersuchungskommissionen werden, 80-
fern nicht ein Anderes verabredet ist, in der im Artikel 32 dieses Ab-
kommens bezeichneten Weise gebildet.
Art. 12. Die streitenden Mächte verpflichten sich, der internationaien
Untersuchungskommission in dem weitesten Umfange, den sie für möglich
halten, alle zur vollständigen Kenntniss und genauen Würdigung der in
Frage kommenden Thatsachen nothwendigen Mittel und Erloichterungen zu
gewähren.
Art. 13. Die internationale Untersuchungskommission legt den streiten-
den Mächten ihren von allen Mitgliedern der Kommission unterzeichneten
Bericht vor.
Art. 14. Der Bericht der internationalen Untersuchungskommission,
der sich auf die Feststellung der Thatsachen beschränkt, hat in keiner Weise
die Bedeutung eines Schiedsspruchs. Er lässt den streitenden Mächten
volle Freiheit ia Ansehung der Folge, die dieser Feststellung zu geben ist.
Vierter Titel. Internationale Schiedssprechung.
Erstes Kapitel. Schiedswesen.
Art. 15. Die internationale Schiedssprechung hat zum Gegenstande
die Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Staaten durch Richter ihrer
Wahl auf Grund der Achtung vor dem Rechte.