444 Schlussakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899.
Art. 16. In Rechtsfragen und in erster Linie in Fragen der Aus-
legung oder der Anwendung internationaler Vereinbarungen wird die Schieds-
sprechung von den Signatarmächten als das wirksamste und zugleich der
Biligkeit am meisten entsprechende Mittel anerkannt, um die Streitigkeiten
zu erledigen, die nicht auf diplomatischem Wege haben beseitigt werden
Önnen.
Art. 17. Schiedsabkommen werden für bereits entstandene oder für
etwa entstehende Streitverhältnisse abgeschlossen.
Sie können sich auf alle Streitigkeiten oder nur auf Streitigkeiten
einer bestimmten Art heziehen.
Art. 18. Das Schiedsabkommen schliesst die Verpflichtung in sich,
sich nach Treu und Glauben dem Schiedsspruche zu unterwerfen.
Art. 19. Unabhängig von den allgemeinen und besonderen Verträgen,
die schon jetzt den Signatarmächten die Verpflichtung zur Anrufung der
Schiedssprechung auferlegen, behalten diese Mächte sich vor, sei es vor
der Ratifikation des vorliegenden Abkommens oder später, neue allgemeine
oder besondere Uebereinkommen abzuschliessen, um die obligatorische
Schiedssprechung auf alle Fälle auszudehnen, die ihr nach ihrer Ansicht
unterworfen werden können.
Zweites Kapitel. Ständiger Schiedshof.
Art.20. Um die unmittelbare Anrufung der Schiedssprechung für
die internationalen Streitfragen zu erleichtern, die nicht auf diplomatischem
Wege haben erledigt werden können, machen sich die Signatarmächte an-
heischig, einen ständigen Schiedshof einzurichten, der jederzeit zugänglich
ist und, unbeschadet anderweitiger Abrede der Parteien, nach Massgabe
der in diesem Abkommen enthaltenen Bestimmungen über das Verfahren
thätig wird.
Art. 21. Der ständige Schiedshof soll für alle Schiedsfälle zuständig
sein, sofern nicht zwischen den Parteien über die Einsetzung eines besonderen
Schiedsgerichts Einverständniss besteht.
Art. 22. Ein im Haag errichtetes internationales Büreau dient dem
Schiedshofe für die Büreaugeschäfte.
Dieses Büreau vermittelt die auf den Zusammentritt des Schiedshofs
bezüglichen Mittheilungen.
Es hat das Archiv unter seiner Obhut und besorgt alle Verwaltungs-
geschäfte.
Die Signatarmächte machen sich anheischig, dem internationalen
Büreau im Haag beglaubigte Abschrift einer jeden zwischen ihnen getroffenen
Schiedsabrede sowie eines jeden Schiedsspruchs mitzutheilen, der sie betrifft
und durch besondere’ Schiedsgerichte erlassen ist.
Sie machen sich anheischig, dem Büreau ebenso die Gesetze, all-
gemeinen Anordnungen und Urkunden mitzutheilen, die gegebenen Falles
die Vollziehung der von dem Schiedshof erlassenen Sprüche darthun.
Art. 23. Jede Signatarmacht wird binnen drei Monaten, nachdem
sie dieses Abkommen ratifizirt hat, höchstens vier Personen von anerkannter
Sachkunde in Fragen des Völkerrechts benennen, die sich der höchsten
sittlichen Achtung erfreuen und bereit sind, ein Schiedsrichteramt zu
übernehmen.
Die so benannten Personen sollen unter dem Titel von Mitgliedern
des Schiedshofs in eine Liste eingetragen werden; diese soll allen Signatar-
mächten durch das Büreau mitgetheilt werden.
Jede Aenderung in der Liste der Schiedsrichter wird durch das
Büreau zur Kenntniss der Signatarmächte gebracht.