Schlussakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899. 447
Art. 36. Der Sitz des Schiedsgerichts wird von den Parteien bestimmt.
In Ermangelung einer solchen Bestimmung hat das Gericht seinen Sitz im Haag.
Abgesehen von dem Falle höherer Gewalt darf der so bestimmte
Sitz vom Schiedsgerichte nur mit Zustimmung der Parteien verlegt werden.
Art. 37. Die Parteien haben das Recht, bei dem Schiedsgerichte
besondere Delegirte oder Agenten zu bestellen mit der Aufgabe, zwischen
ihnen und dem Schiedsgericht als Mittelspersonen zu dienen.
Sie sind ausserdem berechtigt, mit der Wahrnehmung ihrer Rechte
und Interessen vor dem Schiedsgerichte Rechtsbeistände oder Anwälte zu
betrauen, die zu diesem Zwecke von ihnen bestellt werden.
Art. 38. Das Schiedsgericht entscheidet über die zu wählenden
Sprachen, deren es sich bedienen wird und deren Gebrauch vor ihm ge-
stattet sein soll.
Art. 39. Das Schiedsverfahren zerfällt regelmässig in zwei gesonderte
Abschnitte: das Vorverfahren und die Verhandlung.
Das Vorverfahren besteht in der von den betreffenden Agenten an
die Mitglieder des Schiedsgerichts und an die Gegenpartei zu machenden
Mittheilung aller gedruckten oder geschriebenen Aktenstücke und aller
Urkunden, welche die in der Sache geltand gemachten Rechtsbehelfe ent-
halten. Diese Mittheilung soll in der Form und innerhalb der Fristen
erfolgen, die von dem Schiedsgerichte gemäss Artikel 49 bestimmt werden.
Die Verhandlung besteht in dem mündlichen Vortrage der Reohts-
behelfe der Parteien vor dem Schiedsgerichte.
Art. 40, Jedes von einer Partei vorgelegte Schriftstück muss der
anderen Partei mitgetheilt werden.
Art. 41. Die Verhandlung wird vom Vorsitzenden geleitet.
Sie erfolgt öffentlich nur, wenn ein Beschluss des Schiedsgeriohts
mit Zustimmung der Parteien dahin ergeht.
Ueber die Verhandlung wird ein Protokoll aufgenommen von Sekre-
tären, die der Vorsitzende ernennt. Nur dieses Protokoll hat öffentliche
Beweiskraft.
Art. 42. Nach dem Schlusse des Vorverfahrens ist das Schieds-
gericht befugt, alle neuen Aktenstücke oder Urkunden von der Verhandlung
auszuschliessen, die ihm etwa eine Partei ohne Einwilligung der anderen
vorlegen will.
Art. 43. Dem Schiedsgerichte steht es jedoch frei, neue Aktenstücke
oder Urkunden, auf welche etwa die Agenten oder Rechtsbeistände der
Parteien seine Aufmerksamkeit lenken, in Betracht zu ziehen.
In diesem Falle ist das Schiedsgericht befugt, die Vorlegung dieser
Aktenstücke oder Urkunden zu verlangen, unbeschadet der Verpflichtung,
der Gegenpartei davon Kenntniss zu geben.
Art. 44. Das Schiedsgericht kann ausserdem von den Agenten der
Parteien die Vorlegung aller nöthigen Aktenstücke verlangen und alle
nöthigen Aufklärungen erfordern. Im Falle der Verweigerung nimmt das
Schiedsgericht von ihr Vermerk.
Art. 45. Die Agenten und die Rechtsbeistände der Parteien sind
bofugt, beim Schiedsgerichte mündlich alle Rechtsbehelfe vorzubringen, die
sie zur Vertheidigung ihrer Sache für nützlich halten.
Art. 46. Sie haben das Recht, Einreden sowie einen Zwischenstreit
zu vrheben. Die Entscheidungen des Schiedsgerichts über diese Punkte
sind endgültig und können zu weiteren Erörterungen nicht Anlass geben.
Art. 47. Die Mitglieder des Schiedsgerichts sind befugt, an dje
Agenten und die Rechtsbeistände der Parteien Fragen zu richten und von
ihnen Aufklärungen über zweifelhafte Punkte zu erfordern.