448 Schlussakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899.
Weder die gestellten en noch die von Mitgliedern des Schieds-
zerichts im Laufe der Verhandlung gemachten Bemerkungen dürfen als
Ausdruck der Meinung des ganzen Schiedsgerichts oder seiner einzelnen
Mitglieder angesehen werden.
Art. 48. Das Schiedsgericht ist befugt, seine Zuständigkeit zu be-
stimmen, indem es den Schiedsvertrag sowie die sonstigen Staatsverträge,
die für den Gegenstand angeführt werden können, auslegt und die Grund-
sätze des Völkerrechts anwendet.
Art. 49. Dem Schiedsgerichte steht es zu, auf das Verfahren be-
zügliche Anordnungen zur Leitung der Streitsache zu erlassen, die Formen
und Fristen zu bestimmen, in denen jede Partei ihre Anträge zu stellen
hat, und zu allen Förmlichkeiten zu schreiten, welche die Beweisaufnahme
mit sich bringt.
Art. 50. Nachdem die Agenten und die Rechtsbeistände der Parteien
alle Aufklärungen und Beweise zu Gunsten ihrer Sache vorgetragen haben,
spricht der Vorsitzende den Schluss der Verhandlung aus.
Art. 51. Die Berathung des Schiedsgerichts erfolgt geheim.
Jede Entscheidung ergeht nach der Mehrheit der Mitglieder des
Schiedsgerichts.
ie Weigerung eines Mitglieds, an der Abstimmung Theil zu nehmen,
muss im Protokolle festgestellt werden.
Art. 52. Der nach Stimmenmehrheit erlassene Schiedsspruch Yst mit
Gründen zu versehen. Er wird schriftlich abgefasst und von jedem Mit-
gliede des Schiedsgerichts unterzeichnet.
Die in der Minderheit gebliebenen Mitglieder können bei der Unter-
zeichnung die Verweigerung ihrer Zustimmung feststellen.
Art. 53. Der Schiedsspruch wird in öffentlicher Sitzung des Schieds-
gerichts verlesen, sofern die Agenten und die Rechtsbeistände der Parteien
anwesend sind oder gehörig geladen waren.
Art. 54. Der gehörig verkündete und den Agenten der streitenden
Theile zugestellte Schiedsspruch entscheidet das Streitverhältniss endgültig
und mit Ausschliessung der Berufung.
Art. 55. Die Parteien können sich im Schiedsvertrage vorbehalten,
die Nachprüfung (Revision) des Schiedsspruchs zu beantragen.
Der Antrag muss in diesem Falle, unbeschadet anderweitiger Ver-
einbarung, bei dem Schiedsgericht angebracht werden, das den Spruch er-
lassen hat. Er kann nur auf die Ermittelung einer neuen Thatsache
gegründet werden, die einen entscheidenden Einfluss auf den Spruch aus-
zuüben geeignet gewesen ‘wäre und bei Schluss der Verhandlung dem
Schiedsgerichte selbst und der Partei, welche die Nachprüfung beantragt
hat, unbekannt war.
Das Nachprüfungsverfahren kann nur eröffnet werden durch einen
Beschluss des Schiedsgerichts, der das Vorhandensein der neuen Thatsache
ausdrücklich feststellt, ihr die im vorangehenden Absatze bezeichneten
Merkmale zuerkennt und den Antrag insoweit für zulässig erklärt.
Der Schiedsvertrag bestimmt die Frist, innerhalb deren der Nach-
prüfungsantrag gestellt werden muss.
Art. 56. Der Schiedsspruch bindet nur die Parteien, die den Schieds-
vertrag „geschlossen haben.
enn es sich um die Auslegung eines Abkommens handelt, an dem
sich noch andere Mächte betheiligt haben, als die streitenden Theile, so
eben diese ihnen von dem Schiedsvertrage, den sie geschlossen haben,
Kenntniss. Jede dieser Mächte hat das Recht, sich an der Streitsache zu
betheiligen. Wenn eine oder mehrere von ihnen von dieser Berechtigung