452 Schlussakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899,
Art. 2. Die Bevölkerung eines nicht besetzten Gebiets, die beim
Herannahen des Feindes aus eigenem Antriebe zu den Waffen greift, um
die eindringenden Truppen zu bekämpfen, ohne Zeit gehabt zu haben, sich
nach Artikel 1 zu organisiren, wird als Kriegspartei betrachtet, sofern sie
die Gesetze und Gebräuche des Krieges beobachtet.
Art. 3. Die bewaffnete Macht der kriegführenden Parteien kann sich
zusammensetzen aus Kombattanten und Nichtkombattanten. Im Falle der
Gefangennahme durch den Feind haben die einen wie die anderen Anspruch
auf Behandlung als Kriegsgefangene.
Zweites Kapitel. Kriegsgefangene,
Art. 4. Die Kriegsgefangenen stehen unter der Gewalt der feindlichen
Regierung, nicht in der Gewalt der Personen oder der Abtheilungen, die
sie gefangen genommen haben.
Sie sollen mit Menschlichkeit behandelt werden.
Alles, was ihnen persönlich gehört, verbleibt ihr Eigenthum, aus-
genommen Waffen, Pferde und Schriftstücke militärischen Inhalts.
Art. 5. Die Kriegsgefangenen können in Städten, Festungen, Lagern
oder an anderen Orten internirt werden mit der Verpflichtung, sich nicht
über eine bestimmte Grenze hinaus zu entfernen; dagegen dürfen sie nicht
eingesperrt werden, wenn es nicht dringende Rücksichten der Sicherheit
erfordern.
Art. 6. Der Staat ist befugt, die Kriegsgefangenen nach ihrem Dienst-
grad und nach ihren Fähigkeiten als Arbeiter zu verwenden. Diese Arbeiten
dürfen nicht übermässig sein und in keiner Beziehung zu den Kriegs-
unternehmungen stehen.
Den Kriegsgefangenen kann gestattet werden, Arbeiten für Öffent-
liche Verwaltungen oder für Privatpersonen oder für ihre eigene Rechnung
auszuführen.
Arbeiten für den Staat werden nach den Sätzen bezahlt, die für
Militärpersonen des eigenen Heeres gelten.
Werden die Arbeiten für Rechnung anderer öffentlicher Verwaltungen
oder für Privatpersonen ausgeführt, so werden die Bedingungen im Ein-
verständnisse mit der Militärbehörde festgestellt.
Der Verdienst der Kriegsgefangenen soll zur Besserung ihrer Lage
verwendet und der Ueberschuss, naeh Abzug der Unterhaltskosten, ihnen
bei der Freilassung ausbezahlt werden.
Art. 7. Die Regierung, in deren Gewalt sich die Kriegsgefangenen
befinden, hat für ihren Unterhalt zu sorgen.
Falls nicht besondere Vereinbarungen zwischen den Kriegsparteien
getroffen werden, sind die Kriegsgefangenen in Beziehung auf Nahrung,
Kleidung und Unterkunft ebenso zu behandeln, wie die Truppen der
Regierung, die sie gefangen genommen hat.
Art. 8. Die Kriegsgefangenen unterstehen den Gesetzen, Vorschriften
und Befehlen, die in dem Heere des Staates gelten, in dessen Gewalt sie
sich befinden. Jede Unbotmässigkeit kann mit der erforderlichen Strenge
geahndet werden.
Entwichene Kriegsgefangene, die wieder ergriffen werden, bevor 68
ihnen gelungen ist, ihr Heer zu erreichen, oder das von den Truppen, die
sie gefangen genommen haben, besetzte Gebiet zu verlassen, unterliegen
disziplinarischer Bestrafung.
Kriegsgefangene, die nach gelungener Flucht wieder gefangen ge-
nommen werden, können für die frühere Flucht nicht bestraft werden.
Art. 9. Jeder Kriegsgefangene ist verpflichtet, auf Befragen seinen
wahren Namen und Dienstgrad anzugeben; handelt er gegen diese Vor-