Schlussakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899. 453
schrift, so können ihm die Begünstigungen, die den Kriegsgefangenen
seiner Klasse zustehen, entzogen werden.
Art. 10. Kriegsgefangene können auf Ehrenwort freigelassen werden,
wenn die Gesetze ihres Landes dies gestatten; sie sind alsdann bei ihrer
persönlichen Ehre verbunden, die übernommenen Verpflichtungen, sowohl
ihrer eigenen Regierung, als auch dem Staate gegenüber, der sie zu Kriegs-
gefangenen gemacht hat, gewissenhaft zu erfüllen.
Ihre Regierung ist ebenfalls verpflichtet, keinerlei Dienste zu verlangen
oder anzunehmen, die dem gegebenen Ehrenworte widersprechen.
Art. 11. Ein Kriegsgefangener kann nicht gezwungen werden, seine
Freilassung gegen Verpfändung des Ehrenworts anzunehmen; ebensowenig
ist die feindliche Regierung verpflichtet, auf die Bitte eines Kriegsgefangenen
hin die Entlassung auf Ehrenwort zu bewilligen.
Art. 12. Jeder auf Ehrenwort entlassene Kriegsgefangene, der gegen
den Staat, der ihn entlassen hat oder gegen dessen Verbündete die Waffen
trägt, verliert, wenn er wieder ergriffen wird, das Recht der Behandlung
als Kriegsgefangener und kann den Gerichten überliefert werden.
Art. 13. Personen, die einem Heere folgen, ohne ihm unmittelbar
anzugehören, wie Kriegskorrespondenten, Zeitungsberichterstatter, Marke-
tender und Lieferanten, haben, wenn sie in Feindeshand gerathen und
ihre Festhaltung zweckmässig erscheint, das Recht auf Behandlung als
Kriegsgefangene, vorausgesetzt, dass sie sich im Besitz eines Ausweises
der Militärbehörde des Heeres befinden, dem sie folgen.
Art. 14. Es wird beim Ausbruche der Feindseligkeiten in jedem der
kriegführenden Staaten und gegebenenfalls in den neutralen Staaten, die
Angehörige einer der Kriegsparteien in ihr Gebiet aufgenommen haben,
eine Auskunftstelle über die Kriegsgefangenen errichtet. Diese hat die
Aufgabe, alle die Kriegsgefangenen betreffenden Anfragen zu beantworten,
und erhält hierfür von den zuständigen Dienststellen die nöthigen Angaben,
die sie in den Stand setzen, über jeden Kriegsgefangenen ein Personalblatt
zu führen. Die Auskunftstelle muss auf dem Laufenden gehalten werden
über die Unterbringung der Gefangenen und über die dabei eintretenden
Veränderungen, sowie über die Ueberführung in Krankenhäuser und über
Todesfälle.
Die Auskunftstelle sammelt ferner alle zum persönlichen Gebrauche
dienenden Gegenstände, Werthsachen, Briefe usw., die auf den Schlacht-
feldern gefunden oder von den in Krankenhäusern oder Feldlazaretlıen
gestorbenen Kriegsgefangenen hinterlassen werden, und stellt sie den Be-
rechtigten zu.
Art. 15. Die Hülfsgesellschaften für Kriegsgefangene, die ordnungs-
mässig nach den Gesetzen ihres Landes gebildet worden sind und den
Zweck verfolgen, die Vermitteler der mildtkätigen Nächstenhülfe zu sein,
empfangen von den Kriegsparteien für sich und ihre ordnungsmässig be-
vollmächtigten Agenten jede Erleichterung innerhalb der durch die mili-
tärischen Massnahmen und die Verwaltungsvorschriften gezogenen Grenzen,
um ihre menschenfreundlichen Bestrebungen wirksam ausführen zu können.
Die Bevollmächtigten dieser Hülfsgesellschaften können die Erlaubniss
erhalten, unter die Gefangenen an ihrem Aufenthaltsorte, sowie unter die
in die Heimath zurückkehrenden Kriegsgefangenen an ihren Rastorten
Liebesgaben auszutheilen. Sie gebrauchen hierzu eine persönliche, von der
Militärbehörde ausgestellte Erlaubniss, auch müssen sie sich schriftlich
verpflichten, sich allen Ordnungs- und Polizeimassnahmen, die diese Behörde
anordnen sollte, zu fügen.
Art. 16. Die Auskunftstellen geniessen Portofreiheit. Briefe, Post-
anweisungen, Geldsendungen und Postpackete, die für die Kriegsgefangenen