Schlussakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899. 455
Art. 27. Bei Belagerungen und Bombardements sollen alle erforder-
lichen Massregeln getroffen werden, um die dem Gottesdienste, der Kunst,
der Wissenschaft und der Wohlthätigkeit gewidmeten Gebäude, sowie die
Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete so viel wie
möglich zu schonen, vorausgesetzt, dass sie nicht gleichzeitig zu einem
militärischen Zwecke Verwendung finden.
Pflicht der Belagerten ist es, diese Gebäude oder Sammelplätze mit
besonderen sichtbaren Zeichen zu versehen und diese vorher dem Belagerer
bekanntzugeben.
Art. 28. Es ist verboten, Städte oder Ansiedelungen, selbst wenn
sie im Sturme genommen sind, der Plünderung preiszugeben.
Zweites Kapitel. Spione.
Art. 29. Spion ist, wer heimlich oder unter falschem Vorwand in
dem ÖOperationsgebiet einer Kriegspartei Nachrichten einzieht oder einzu-
ziehen sucht, in der Absicht, sie der Gegenpartei mitzutheilen.
Demgemäss sind Militärpersonen in. Uniform, die in das ÖOperations-
gebiet des feindlichen Heeres eingedrungen sind, um sich Nachrichten zu
verschaffen, nicht als Spione zu betrachten. Desgleichen gelten nicht als
Spione: Militärpersonen und Nichtmilitärpersonen, die offen den ihnen
ertheilten Auftrag, Mittheilungen an ihr eigenes oder an das feindliche
Heer zu überbringen, ausführen. Dahin gehören ebenfalls die Personen,
die in Luftschiffen befördert werden, um Nachrichten zu überbringen oder
um überhaupt Verbindungen zwischen den verschiedenen Theilen eines
Heeres oder eines Gebiets aufrecht zu erhalten.
Art. 30. Der auf frischer That ergriffene Spion kann nicht ohne
vorausgegangenes Urtheil bestraft werden.
Art. 31. Ein Spion, der zu seinem Hoeere zurückgekehrt ist und
später vom Feinde gefangen genommen wird, ist als Kriegsgefangener zu
behandeln und kann für früher begangene Spionage nicht verantwortlich
gemacht werden.
Drittes Kapitel. Parlamentäre,
Art. 32. Parlamentär ist, wer von einer der Kriegsparteien bevoll-
mächtigt ist, in Unterhandlungen mit der anderen Partei zu treten, und
sich mit der weissen Fahne zeigt. Er ist unverletzlich, ebenso der ihn
begleitende Trompeter, Hornist oder Trommler, Fahnenträger und Dolmetscher.
Art. 33. Der Befehlshaber, zu dem ein Parlamentär gesandt wird,
ist nicht verpflichtet, ihn unter allen Umständen zu empfangen.
Er kann alle erforderlichen Massregeln ergreifen, um den Parlamentär
zu verhindern, seine Sendung zur Einziehung von Nachrichten zu benutzen.
Er ist berechtigt, bei vorkommendem Missbrauche den Parlamentär
zeitweilig zurückzuhalten.
Art. 34. Der Parlamentär verliert sein Recht der Unverletzlichkeit,
wenn der bestimmte, unwiderlegbare Beweis vorliegt, dass er seine bevor-
rechtigte Stellung dazu benutzt hat, um Verrath zu üben oder dazu an-
zustiften.
Viertes Kapitel. Kapitulationen,
Art. 35. Die zwischen den verhandelnden Parteien vereinbarten
Kapitulationen sollen den Forderungen der militärischen Ehre Rechnung tragen.
Einmal abgeschlossen, sollen sie von beiden Parteien gewissenhaft
beobachtet werden.
Fünftes Kapitel. Waffenstillstand.
Art. 36. Der Waffenstillstand unterbricht die Kriegsunternehmungen
kraft eines wechselseitigen Uebereinkommens der Kriegsparteien. Ist eine