Full text: Das Völkerrecht.

456 Schlussakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899. 
bestimmte Dauer nicht vereinbart worden, so können die Kriegsparteien 
jederzeit die Feindseligkeiten wieder aufnehmen, jedoch unter der Voraus- 
setzung, dass der Feind, gemäss den Bedingungen des Waffenstillstandes, 
rechtzeitig benachrichtigt wird. 
Art. 37. Der Waffenstillstand kann ein allgemeiner oder ein örtlich 
begrenzter sein; der erstere unterbricht die Kriegsunternehmungen der 
kriegführenden Staaten allenthalben, der letztere nur für bestimmte Theile 
der kriegführenden Heere und innerhalb eines bestimmten Gebiets. 
Art. 38. Der Waffenstillstand muss in aller Form und rechtzeitig 
den zuständigen Behörden und den Truppen mitgetheilt werden. Sofort 
nach Mittheilung oder zu einem bestimmten Zeitpunkte sind die Feind- 
seligkeiten einzustellen. 
Art. 39. Es ist Sache der vertragschliessenden Parteien, in den 
Bedingungen des Waffenstillstandes festzusetzen, welche Beziehungen sie 
auf dem Kriegsschauplatz unter einander und mit der Bevölkerung unter- 
halten können. 
Art. 40. Jede schwere Verletzung der Bedingungen des Waffen- 
stillstandes durch eine der Parteien giebt der anderen das Recht, ihn zu 
kündigen, und in dringenden Fällen sogar das Recht, die Feindseligkeiten 
sofort wieder aufzunehmen. 
Art. 41. Die Verletzung der Bedingungen des Weaffenstillstandes 
durch Privatpersonen, die aus eigenem Antriebe handeln, giebt nur das 
Recht, die Bestrafung der Schuldigen und gegebenen Falles eine Entschädigung 
für den erlittenen Schaden zu fordern. 
Dritter Abschnitt. Militärische Gewalt auf besetztem feindlichen 
Gebiete. 
Art. 42. Ein Gebiet gilt als besetzt, wenn es thatsächlich in der 
Gewalt des feindlichen Heeres steht. 
Die Besetzung erstreckt sich nur auf die Gebiete, wo diese Gewalt 
hergestellt ist und ausgeübt werden kann. 
Art. 43. Nachdem die gesetzmässige Gewalt thatsächlich in die 
Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle ihm zu Gebote 
stehenden Massnahmen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche 
Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten, und 
zwar unter Berücksichtigung der Landesgesetze, sofern keine unüberwind- 
lichen Hindernisse entgegenstehen. 
Art. 44. Es ist verboten, die Bevölkerung eines besetzten Gebiets 
zur Theilnahme an den Kriegsunternehmungen gegen ihr eigenes Land zu 
zwingen. 
Art. 45. Es ist verboten, die Bevölkerung eines besetzten Gebiets 
zu zwingen, der feindlichen Macht den Treueid zu leisten. 
Art. 46. Die Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der 
Bürger, das Privateigenthum, die religiösen Ueberzeugungen und die gottes- 
dienstlichen Handlungen sollen geachtet werden. 
Das Privateigenthum darf nicht eingezogen werden. 
Art. 47. Die Plünderung ist ausdrücklich verboten. 
Art. 48. Wenn die Kriegspartei in dem besetzten Gebiete die zu 
Gunsten des Staates bestehenden Steuern, Zölle und Abgaben erhebt, so 
soll sie es möglichst nach Massgabe der für ihre Erhebung und Vertheilung 
geltenden Vorschriften thun; es erwächst hiermit für sie die Verpflichtung, 
die Kosten der Verwaltung des besetzten Gebiets in dem Umfange zu 
tragen, wie die gesetzmässige Regierung hierzu verpflichtet war. 
Art, 49. Wenn der Besetzende ausser den im vorstehenden Artikel 
erwähnten Abgaben andere Auflagen in Geld in dem besetzten Gebiet er-
	        
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