Schlussakte der Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899. 457
hebt, so darf dies nur zur Deckung der Bedürfnisse des Heeres oder der
Verwaltung dieses Gebiets geschehen.
Art. 50. Keine Strafe in Geld oder anderer Art darf über eine ganze
Bevölkerung wegen der Handlungen Einzelner verhängt werden, für welche
die Gesammtheit nicht als verantwortlich angesehen werden kann.
Art, 51. Zwangsauflagen können nur auf Grund eines schriftlichen
Befehls und unter Verantwortlichkeit eines selbständig kommandirenden
Generals erhoben werden.
Die Erhebung soll so viel wie möglich unter Beobachtung der für
die Festsetzung und Vertheilung der Steuern geltenden Vorschriften erfolgen.
Ueber jede Zwangsleistung erhalten die Beitragspflichtigen eine
Empfangsbescheini .
Art. 52. Naturalleistungen und Dienstleistungen können von Gemeinden
oder Einwohnern nur für die Bedürfnisse des Besetzungshoers gefordert
werden. Sie müssen im Verhältnisse zu den Hülfsquellen des Landes
stehen und dürfen für die Bevölkerung nicht die Verpflichtung enthalten,
an Kriegsunternehmungen gegen ihr Vaterland Theil zu nehmen.
erartige Natural- und Dienstleistungen können nur mit der Er-
mächtigung des Befehlshabers der besetzten Gebiete vorgenommen werden.
Naturalleistungen sind so viel wie möglich baar zu bezahlen; anderen-
falls sind dafür Empfangrbescheinigungen auszustellen.
Art. 53. Das Besetzungsheer kann nur mit Beschlag belegen: das
Baargeld und die. Werthbestände des Staates sowie die dem Staate zu-
stehenden eintreibbaren Forderungen, die Waffenniederlagen, Beförderungs-
mittel, Vorrathshäuser und Lebensmittelvorräthe sowie überhaupt alles dem
Staate gehörende bewegliche Eigenthum, das geeignet erscheint, den Kriegs-
unternehmungen zu dienen.
Das Eisenbahnmaterial, die Landtelegraphen, die Fernsprechanlagen,
die Dampfschiffe und andere Fahrzeuge — soweit hier nicht die Vorschriften
des Seerechts platzgreifen — die Waffenniederlagen und überhaupt jede
Art Kriegsmunition, auch dann, wenn all dies Gesellschaften oder Privat-
personen gehört, sind ebenfalls ihrer Natur nach Mittel, die den Kriegs-
unternehmungen dienen; sie müssen aber wieder zurückerstattet werden.
Die Entschädigungsfrage wird bei Abschluss des Friedens geregelt.
Art. 54. Das Eisenbahnmaterial, das aus neutralen Staaten kommt,
sei e3 dass es diesen selbst oder Gesellschaften oder Privatpersonen gehört,
soll ihnen sobald wie möglich zurückgesandt werden.
Art. 55. Der Staat, von dem die Besetzung ausgeht, betrachtet sich
nur als Verwalter und Nutzniesser der öffentlichen Gebäude, Liegenschaften,
Wälder und landwirthschaftlichen Anlagen, die dem feindlichen Staate
gehören und in dem besetzten Gebiete liegen. Er ist verpflichtet, den
Grundstock dieser Güter zu schützen und sie nach den Regeln des Niess-
brauchs zu verwalten.
Art. 56. Das Eigenthum der Gemeinden und der dem Gottesdienste,
der Wohlthätigkeit, dem Unterrichte, der Kunst und Wissenschaft gewidmeten
Anstalten, auch wenn diese dem Staate gehören, ist als Privateigenthuni
zu behandeln. Jede absichtliche Entfernung, Zerstörung oder Beschädigung
von derartigen Gebäuden, von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken
der Kunst und Wissenschaft ist verboten und muss geahndet werden.
Vierter Abschnitt. Bei Neutralen festgehaltene Kriegführende
und in Pflege befindliche Verwundete.
Art. 57. Der neutrale Staat, auf dessen Gebiet Truppen der krieg-
führenden Heere übertreten, muss sie möglichst weit vom Kriegsschauplatz
unterbringen.