Full text: Das Völkerrecht.

656 1.Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung. 
konferenz teilgenommen (oben S. 31). In diesem Fall kann der 
halbsouveräne Staat innerhalb seiner Selbständigkeit selbst mit dem 
Oberstaat Verträge schließen (vergl. das türkisch-bulgarische Eisen- 
bahnübereinkommen von 1894). Für rechtswidrige Handlungen des 
halbsouveränen Staates haftet der Oberstaat, soweit es sich nicht 
um die dem Unterstaat überlassenen Rechtsbeziehungen handelt 
(unten $ 24 12). Wie weit dagegen der Einfluß des Oberstaates 
auf die innere Verwaltung des halbsouveränen Staates reicht, hängt 
von den besonderen Vereinbarungen ab, wenn auch ein gewisser 
Einfluß schon durch die völkerrechtliche Vertretung unvermeidlich 
wird. Nicht notwendig erforderlich ist die Verpflichtung des halb- 
souveränen Staates zur Waffenbilfe bei Kriegen des Oberstaates. 
Beschränkt sich die Verpflichtung des einen Staates gegen den 
andern auf die Kriegshilfe, so spricht man wohl von Vasallität; 
aber diese Beschränkung, durch welche die Souveränität nicht be- 
rührt wird, kommt heute nicht mebr vor, wenn auch in der Lite- 
ratur ungenau der Ausdruck Vasallität gebraucht wird, um das 
Rechtsverhältnis der Halbsouveränität zu bezeichnen. Erhebung des 
untergeordneten Staates gegen den Überstaat ist jedenfalls nicht 
Krieg im völkerrechtlichen Sinne (unten $ 39 II. England, das 
die Halbsouveränität der südafrikanischen Republik behauptete, hat 
daher folgewidrig gehandelt, als es 1900 dem neutralen Handel 
gegenüber die Rechte des Kriegführenden für sich in Anspruch nahm. 
Die Rechtsstellung des halbsouveränen Staates dem oberherrlichen 
Staate gegenüber kann unter die Garantie dritter Mächte gestellt sein. 
Die Begründung einer bisher nicht bestandenen Oberherrschaft 
bedarf der Anerkennung dritter Mächte. Diese haben ein Ein- 
spruchsrecht, soweit durch die Veränderung in ihre wohlerworbenen 
Rechte eingegriffen wird (darüber unten $ 20 II 3). Die Auf- 
kündigung der Schutzherrschaft durch den Unterstaat ist aus- 
geschlossen, da er ja gerade in dem Verhältnisse zu dem Ober- 
staate sich seiner staatlichen Souveränität begeben hat. Die Auf- 
kündigung hat ebensowenig unmittelbare Rechtswirkung wie etwa 
die Unabhängigkeitserklärung einer Kolonie.
	        
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