Full text: Das Völkerrecht.

87. Die Staatsgewalt in ihrer äußeren Unabhängigkeit, 61 
Sie wird nicht berührt durch die Rangordnung der Staaten, 
die nicht mehr dem Völkerrecht, sondern der internationalen Courtoisie 
angehört. Die früher häufigen, manchmal erbitierten Rangstreitig- 
keiten werden jetzt bei Staatenkongressen dadurch vermieden, daß 
für die Unterzeichnung von allgemeinen Verträgen die alphabetische 
Reihenfolge nach der französischen Bezeichnung der Staaten fest- 
gehalten wird. Titeländerungen, die ein Staat für sich vor- 
nimmt, binden andere Staaten nur, insoweit sie die Änderung aus- 
drücklich oder stillschweigend anerkannt haben. So haben unter 
Zustimmung der Mächte die Königin von England 1876 den Titel 
einer Kaiserin von Indien, die Fürstentümer Rumänien 1881, Serbien 
1882 den Titel Königreich angenommen. 
3. Durch die grundsätzliche Gleichberechtigung aller Mit- 
glieder der Völkergemeinschaft wird die tatsächliche Vorherr- 
schaft einzelner von ihnen nicht ausgeschlossen. Eine solche 
Vorherrschaft haben die „Großmächte‘“ für sich wiederholt be- 
ansprucht und tatsächlich durchgesetzt? Die ersten Jahrzehnte 
des 19. Jahrhunderts kennzeichnen sich (oben Seite 21) durch die 
Pentarchie der Großmächte Österreich, Preußen, Rußland, Groß- 
britannien, Frankreich. An Stelle Preußens trat das Deutsche 
Reich; die Einigung der italienischen Landschaften machte Italien 
zur sechsten Großmacht. Japan ist seit dem Jahre 1894 in die 
Reihe der Großmächte eingetreten; und die längst zur Großmacht 
entwickelten Vereinigten Staaten Amerikas verlangen seit dem spa- 
nischen Krieg von 1898, bei der Entscheidung der Welthändel ge- 
hört zu werden Die europäischen Großmächte haben insbesondere 
die Regelung der Verhältnisse in der europäischen Türkei von 1856 
ab bis zur Gegenwart für sich in Anspruch genommen (das „euro- 
päische Konzert“). In den chinesischen Wirren der letzten Jahre 
gingen sie gemeinsam mit Japan und Nordamerika vor. Trotz dieser 
tatsächlichen Vorherrschaft muß jedoch daran festgehalten werden, 
daß die Rechtssatzung durch die Großmächte nur partikulares 
  
3) Vergl. Streit, R.J. XXXIIl.
	        
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