Full text: Das Völkerrecht.

87. Die Staatsgewalt in ihrer äußeren Unabhängigkeit. 63 
unterstützt, sondern auch dann, wenn er sie nicht hindert oder 
nicht verfolgt. 
Italien würde mithin seinen völkerrechtlichen Pflichten zu- 
widerhandeln, wenn es den Bestrebungen der Italia irridenta, die 
auf Losreißung eines Teils des Österreichischen Gebietes gerichtet 
sind, nicht entgegentreten wollte. Dasselbe gilt von Rumänien 
gegenüber seinen „unerlösten“ Stammesgenossen. 
2. Völkerrechtswidrig ist die Intervention, d. h. die autoritative 
Einmischung in die Innern oder Kußern Angelegenheiten eines andern 
Staates. Sie erfordert das an den andern Staat gerichtete, durch 
Androhung oder Anwendung von Waffengewalt unterstützte, Verlangen 
zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen.° 
Sie ist daher verschieden von der Interzession, d.h. der 
Erteilung freundschaftlicher Ratschläge, sowie von der unten $ 38 I 
zu besprechenden Mediation oder Vermittlung. Der Unter- 
schied liegt darin, daß sie Befolgung heischt und ihre wenn nötig 
gewaltsame Durchsetzung in Aussicht stell. Die Grenzlinie mag 
freilich im einzelnen Falle schwer zu ziehen sein. So wurde der 
von Rußland, Frankreich und Deutschland gegen den Frieden von 
Simonoseki (1895), insbesondere gegen die Abtretung der Halb- 
insel Liaotong, erhobene Einspruch auf beiden Seiten als „freund- 
schaftlicher Ratschlag“ bezeichnet, obwohl es klar war, daß seine 
Beachtung im Notfalle erzwungen werden würde. 
Die Intervention widerspricht dem heutigen Völkerrecht. Aber 
dieser Satz hat sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts ausgebildet. 
Die Heilige Allianz hat die Aufrechterhaltung des „legitimen‘“ Zu- 
standes in den kleineren europäischen Staaten von 1815 an wieder- 
holt mit Waffengewalt durchzusetzen versucht (oben S. 21), während 
der literarische Wortführer der Pentarchie, v. Kamptz, das Inter- 
ventionsprinzip wissenschaftlich aus den Grundgedanken des Völker- 
rechts zu rechtfertigen suchte. Erst seit dem dritten Jahrzehnt 
  
5) Strauch, Zur Interventionslehre. 1879. de Floeckher, De 
’intervention en droit international. 1896. Heilborn 353. Ullmann 305. 
Rivier 243.
	        
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