88. Die Staatsgewalt in ihrer inneren Selbständigkeit. 75
von weniger als drei französischen Meilen von der Stadt Basel,
keine neue Befestigungen anlegen zu lassen.“ Vergl. auch den
deutsch-englischen Vertrag vom 10. April 1886, durch den sich
Deutschland verpflichtete, auf seinen Besitzungen im westlichen
Stillen Ozean keine Verbrecher-Kolonien anzulegen.
Es ist völlig irreführend, in diesen Fällen von (positiven und
negativen) völkerrechtlichen Servituten oder Staatsservi-
tuten ® zu sprechen. Denn ganz abgesehen davon, daß an Stelle
des praedium dominans der berechtigte Staat und seine Angehörigen
treten, fehlt vor allem der dingliche Charakter dieser Berechtigungen.
Wenn Rußland etwa auf einer französischen Insel eine Kohlen-
station eingeräumt erhält, und später England diese französische
Insel erwirbt, so kann durchaus nicht behauptet werden, daß der
Erwerber des belasteten Gebietes ohne weiteres in die Verbindlich-
keit seines Vorgängers einrückt. Es ist vielmehr in solchem Falle
Sache des Veräußerers, den bisher Berechtigten zu entschädigen,
wenn dieser nicht ausdrücklich oder stillschweigend, durch vor-
behaltlose Einwilligung in die Gebietsveränderung, auf sein Recht
verzichtet. Von einem dinglichen oder absoluten, an dem Grund-
stücke haftenden, Charakter des Rechtsverhältnisses kann also keine
Rede sein.
Anders liegt die Sache dann, wenn, insbesondere bei der
Verpflichtung, die Ausübung von Hoheitsrechten zu unterlassen, die
Bindung des verpflichteten Staates nicht im einseitigen Interesse
seines Vertragsgegners, sondern etwa durch Kongreßbeschluß im
allgemeinen Interesse erfolgt. Dann ruht die Verpflichtung
allerdings auf dem Gebiete, so daß sie bei Gebietsveränderungen
auf den Erwerber übergeht (unten $ 23 I). Ein vielbesprochenes
Beispiel bieten die ehemals sardinischen Provinzen Chablais und
6) Vergl. Clauß, Die Lehre von den Staatsdienstbarkeiten. 1894.
Für die im Text vertretene Ansicht insbesondere Jellinek, Staatslehre,
S. 366 sowie Challender, L.A. XVI 599. — Nur soweit es sich um den
Staat als privatrechtlichen Grundbesitzer handelt, findet der (privatrecht-
liche) Begriff der Dienstbarkeiten Anwendung.