Full text: Das Völkerrecht.

84 1I.Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung. 
Staates. Ströme, die, ohne vom Meer aus schiffbar zu sein, das 
Gebiet mehrerer Staaten durchfließen, stehen unter der geteilten 
Herrschaft der Uferstaaten. Ströme, die das Gebiet mehrerer Staaten 
durchfließen und vom Meer aus schiffbar sind, heißen internationale 
Ströme; sie sind nicht mehr Eigengewässer, sondern werden, unter 
bestimmten Voraussetzungen, von dem Grundsatz der „freien Schiff- 
fahrt“ beherrscht (unter $ 27). 
b) Kanäle, also künstliche Wasserstraßen, die von beiden 
Seiten vom Landgebiet desselben Staates umschlossen werden, 
stehen unter der ausschließlichen Herrschaft dieses Staates, und 
zwar auch dann, wenn sie zwei freie Meere miteinander ver- 
binden (so der deutsche Nord-Ostsee-Kanal. Werden sie vom 
Landgebiet mehrerer Staaten umschlossen, so stehen sie unter 
der geteilten Herrschaft der Uferstaaten. Jedoch drängt die 
neuere Entwicklung dahin, Kanäle, die für den internationalen 
Handelsverkehr von Bedeutung sind, der uneingeschränkten Staats- 
gewalt der Uferstaaten zu entziehen und auch für sie den Grund- 
satz der freien Schiffahrt zur Durchführung zu bringen. Vergl. 
unten 8 27 IV. 
c) Binnenmeere oder Binnenseen im engern Sinne sigd die- 
jenigen Seen, die auf allen Seiten vom Lande umschlossen sind 
oder doch mit dem offenen Meere nicht in schiffbarer Verbindung 
stehen. Auf sie finden dieselben Regeln Anwendung (bestritten). 
Daher steht der Bodensee unter der geteilten Herrschaft der 
Uferstaaten; und nur der zur Schweiz gehörende Teil des Sees hat 
teil an der dauernden Neutralität der Schweiz. So die über- 
wiegende Meinung.’ 
Durch besondere Vereinbarung können auch hier abweichende 
Rechtsverhältnisse geschaffen werden. So hat sich Rußland durch 
  
7) Dafür v. Martitz in den Annalen des Deutschen Reichs. 1885. 
8. 283, sowie Rehm, H.St.II 963, u.a. Dagegen Rettich, Die völker- 
rechtlichen und staatsrechtlichen Verhältnisse des Bodensees. 1884. Weitere 
Literatur bei Ullmann 184 Note 3.
	        
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