$ 11. Das Staatevolk. 95
Zur Vermeidung der mit den Kollisionsfällen verbundenen Übel-
stände. haben verschiedene Verträge zwischen einzelnen Staaten gleiche
Grundsätze über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit aufge-
stellt. Beachtenswert ist der von Frankreich mit der Schweiz am
23. Juli 1879 geschlossene Vertrag.
Aber auch das Deutsche Reich und die deutschen Einzelstaaten
haben solche Verträge geschlossen. So wird in dem deutsch-türkischen
Niederlassungsvertrag vom 11.Januar 1917 Art.1 (noch nicht rati-
fiziert) gegenseitig das jus sanguinis (die Abstammung) als maßgebend
anerkannt. Hierher gehören ferner die vom Norddeutschen Bund (am
22. Februar 1868; B.G. Bl. S. 228), sowie von den süddeutschen Staaten
mit den Vereinigten Staaten Nordamerikas infolge der Bemühungen
Bancrofts, des amerikanischen Gesandten in Berlin, geschlossenen
„Bancroftverträge“. Nach diesen werden Angehörige des einen Ver-
tragschließenden, die naturalisierte Angehörige des andern geworden
sind und fünf Jahre lang ununterbrochen in dessen Gebiet zugebracht
haben, auch von dem ersten Staate als Angehörige des Aufenthalts-
staates betrachtet und behandelt. Sie dürfen bei der Rückkehr in das
Geburtsland in diesem nur wegen der vor der Auswanderung, nicht
wegen der durch die Auswanderung begangenen strafbaren Hand-
lungen (es handelt sich hauptsächlich um die Verletzung der Wehr-
pflicht) zur Verantwortung gezogen werden. Spätere Niederlassung in
dem Geburtsland ohne Absicht der Rückkehr in’ das Land, in dem
die Naturalisation erfolgt ist, gilt als Verzicht auf diese. Und der
Verzicht auf die Rückkehr kann als vorhanden angenommen werden,
wenn der Naturalisierte des einen Teiles sich länger als zwei Jahre
in dem Gebiet des anderen Teiles aufgehalten hatt).
Ferner hat das Deutsche Reich mehrfach durch Verträge mit
den süd- und mittelamerikanischen Staaten vereinbart, daß die Deut-
sehen, die sich in das Gebiet des andern Teiles begeben haben, um
daselbst zu leben, sich aber die deutsche Staatsangehörigkeit nach
deutschem Recht bewahrt haben, als Deutsche angesehen werden
sollen (und ebenso umgekehrt). Vgl. z. B. den Freundschafts- usw.
Vertrag mit Nicaragua vom 4.Februar 1896 (R.G.B1.1897 S.171)
Art.10 81. Übereinstimmende Verträge sind auch zwischen andern
Staaten geschlossen worden (so von Großbritannien und Haiti am
6. April 1906).
mangelung eines Wohnsitzes ihren Aufenthalt hat oder zu der maßgebenden Zeit
gehabt hat.‘‘ Die völkerrechtliche Anerkennung dieses Rechtssatzes wäre sehr
wünschenswert.. — Die in Argentinien, Brasilien, Chile, Peru geborenen Kinder
deutscher Eltern haben sämtlich. von Geburt an doppelte Staatsangehörigkeit.
4) Vgl. Bendix, Fahnenflucht und Verletzung der Wehrpflicht durch Aus-
wanderung. 1906.