98 I. Buch. Die Rechtssubjekte des völkerrechtlichen Staatenverbands.
geschlossenen Verträge diesem Staat übertragen werden. Die durch allgemeine
Vereinbarung der Schutzgewalt eines andern Staates empfohlenen Personen
werden „Schutzgenossen‘‘ genannt. ,
Vgl. den (1905 unverändert gebliebenen) Art.21 des deulsch-
österreichischen Handels- und Zollvertrags vom 6.Dezember 1891
(R.G.Bl. 1892 S.3): „Jeder der vertragschließenden Teile wird seine
Konsuln im Auslande verpflichten, den Angehörigen des anderen Tei-
les, sofern letzterer an dem betreffenden Platze durch einen Konsul
nicht vertreten ist, Schutz und Beistand in derselben Art und gegen
nicht höhere Gebühren wie den eigenen Angehörigen zu gewähren.“
Als deutsche Schutzgenossen können ferner auf ihren Antrag die
Staatsangehörigen der Schweiz und Luxemburgs behandelt werden
(vgl. das Protokoll zu dem deutsch-türkischen Handelsvertrag vom
26. August 1890, R.G.Bl. 1891 S. 258).
Anders ist die Rechtslage, wenn bei Ausbruch eines Krieges ein
neutraler Staat den „Schutz‘ der Staatsangehörigen eines Kriegführen-
den übernimmt (unten $ 39 V 2).
8. Zu den Schutzgenossen treten In den konsularischen Jurisdiktions-
bez'rken (unten & 16 IV) die sogenannten ‚„‚de facto Untertanen‘‘ hinzu; das
sin I Staatsfremde, die durch einen individuellen „Schutzbrief‘‘ un:er den
Schutz des Konsuls gestellt und dadurch In gewissem Umfang auch der den
Staatsbürgern des Schutzstaates eingeräumten Rechte teilhaftig werden.®)
Die „de facto Untertanen‘ des Deutschen Reiches können in drei
Klassen geteilt werden:
a) Es gehören zunächst diejenigen staatslosen Personen hierher,
die früher ursprünglich deutsche Staatsangehörige waren, aber diese
Staatsangehörigkeit durch den Aufenthalt im Auslande verloren haben;
ebenso auch ihre Ehefrauen, Witwen und Abkömmlinge. Jene frü-
heren Reichsangehörigen sind ja auch nach $ 11 des Reichsmilitär-
gesetzes vom 2.Mai 1874 gestellungspflichtig, wenn sie ihren dauern-
den Aufenthalt im Deutschen Reiche nehmen.
b) Es pflegt ferner der Schutz solchen Personen gewährt zu wer-
den, welche im ethnographischen Sinne des Wortes, also ihrer Mutter-
sprache nach, Deutsche sind.
c) Endlich aber haben solche Staatsfremde auf die Gewährung
des deutschen Schutzes Anspruch, die als Dolmetscher (Dragomans),
Kavassen usw. in amtlichen oder dienstlichen Beziehungen zum Deut-
schen Reiche stehen, oder die den deutschen Vertretungen im Aus-
lande besondere Dienste geleistet haben, sowie ihre Ehefrauen und
ihre in der Hausgemeinschaft befindlichen Abkömmlinge.
8) Vgl. Zorn, Die Konsulargesetzgebung des Deutschen Reichs. 3. Aufl.
164, 443, 450. Wichtig die Instruktion vom 1. Mai 1872 und die Anordnung
des Reichskanzlers vom 27. Oktober 1900.