118 II. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes.
Die Bestellung des Gesandten durch den Absendestaat ist ein rein
innerstaatlicher Akt. Er gewinnt völkerrechtliche Bedeutung erst durch
die Mitteilung der Ernennung an den Empfangsstaat und deren Ent-
gegennabmc durch diesen. Der Empfangsstaat hat das Recht, die Er-
nennung einer persona ingrata, auch ohne Angabe von Gründen (die
aber allerdings von England und den Vereinigten Staaten verlangt wird),
zurückzuweisen. Daher ist vorhergehende Anfrage (demande d’agr&ation)
üblich, aber nicht völkerrechtlich erforderlich. Die meisten Staaten
pflegen der. Empfang eigener Staatsangehöriger als Gesandte fremder
Mächte abzulehnen (anders bezüglich der Konsuln). Ist die Mitteilung
der Ernennung von dem Empfangsstaat entgegengenommen worden,
so vollzieht sich die Reise des Gesandten an seinen Bestimmungsort,
auch während der Fahrt durch dritte Staaten (bestritten), jedenfalls aber
von dem Augenblicke an, in dem er die Grenze des Empfangsstaates
überschreitet, bereits unter dem Schutze des Völkerrechts. So aus-
drücklich das italienische Garantiegesetz von 1871 Art.11. Aber erst
mit der Überreichung des Beglaubigungsschreibens (Kreditiv, lettres de
creance) an das Staatshaupt oder an den Minister des Empfangsstaates
tritt der Gesandte in den vollen Umkreis seiner völkerrechtlichen Rechte
und Pflichten, die nach strengem Recht (anders nach Höflichkeitssitte)
stets nur dem Empfangsstaate, nicht dritten Staaten gegenüber be-
stehen.
2. Die völkerrechtliche Rechtsstellung des Gesandten endet:
a) Durch die Abberufung von seiten des Absendestaates, genaucr
durch Überreichung und Empfangnahme des Abberufungsschreibens
(lettres de rappel). Der Empfangsstaat pflegt dem Oberhaupt des Ab-
sendestaates ein Antwortschreiben auf die Mitteilung (lettres de
recr&ance) zu übersenden. Bei einer Änderung der Regierungsform des
Absende- oder des Empfangsstaates oder bei einem Wechsel in der
Person des monarchischen Staatshauptes werden die von diesem Staat
im Ausland beglaubigten Gesandten meist abberufen oder aufs neue
beglaubigt:
b) Durch Abbruch der Beziehungen von seiten des Emplangsstaates, sei es
mit dem Absendestaate selbst (etwa bei Ausbruch des Krieges),?) sei es bloß
mit dem Gesandten (etwa bei erwiesener Spionage). Doch steht in beiden
Fällen. wie die Hinreise, so auch die Heimreise des Gesandten, wenn
sie nicht mit ungebührlicher Verzögerung erfolgt, unter dem Schutz
des Völkerrechts.
IV. Der Gesandte hat innerhalb der Grenzen seines Auftrages und unter der
Leitung seines Ministers des Auswärtigen den Absendestaat im völkerrecht-
2) Abbruch der diplomatischen Beziehungen begründet an sich den Kriegs-
zustand nicht (unten $39 V).