152 1. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes
b) Auch die Rechtsverhältnisse zwischen dem Angehörigen
eines Staates und einem fremden Staat sind nicht völker-
rechtlicher Natur. Die Verpflichtung des Staatsfremden, der sich inner-
halb unsres Staatsgebiets aufhält, zur Beobachtung unserer (Gesetze
folgt unmittelbar aus dem Begriff der Staatsgewalt, die wir innerhalb
unseres (Gebietes ausüben. Die Gewährung des Rechtsschutzes dagegen
auch den Staatsfremden gegenüber ist völkerrechtliche Pflicht des
Aufenthaltsstaates; aber sie ist eine Rechtspflicht, die der Staat nicht
lem staatsfremden Einzelnen, sondern dem Staate schuldet, dem dieser
angehört. Wird dem Staatsfremden dieser Schutz durch den Aufent-
haltsstaat versagt (bei Justizverweigerung usw.), so hat daher der Staat,
‚dem jener angehört, das Recht, das verletzte oder gefährdete Interesse
seines Staatsangehörigen dem Aufenthaltstaat gegenüber zu vertreten
(oben 8 11 III). Das gilt auch für die Beteiligung eines Staatsbürgers
an ausländischen Staatsanleihen!). Eine wichtige, bereits oben $ 5
Note 2 erwähnte Ausnahme bildet das den verletzten Einzelpersonen
eingeräumte Recht des Rekurses an den Internationalen Prisenhof.
c) Dasselbe gilt von den Rechtsverhältnissen der Landes-
herren. Familienverträge (Erbverbrüderungen usw.) sind keine
Staatsverträge. '
2. Aber auch Rechtsverhältnisse, als deren Träger auf seiten des Be-
rechtigten wie des Verpflichteten ein Staat erscheint, sind nur dann völkerrecht-
liche Rechtsverhältnisse, wenn der Inhalt dieser Berechtigungen und Verpflich-
tungen die Ausübung von Hoheitsrechten ausmacht, also von solchen Rechten.
die Ausfluß der Staatsgewalt sind. Nur soweit die Staatsgewalt selbst als Herr-
schalt über Menschen, als Befehls- und Zwangsgewalt, gebunden oder berechtigt
wird, kann von einem völkerrechtlichen Verhältnis die Rede seln.?)
Wenn mithin Frankreich gegen Bezahlung einer bestimmten
Summe Geldes von dem Deutschen Reich ein Grundstück zu Eigen-
tum erwirbt, um auf diesem etwa ein Gebäude zu wissenschaftlichen
Zwecken zu errichten, oder wenn die Türkei von einem südameri-
kanischen Staat die für diesen erbauten Kriegsschiffe kauft, so sind die
dadurch erzeugten Rechtsverhältnisse nicht nach Völkerrecht, sondern
nach Privatrecht zu beurteilen. Der Staat tritt hier als Fiskus, d.h.
als lediglich vermögensrechtliches Rechtssubjekt auf, nicht als Sub-
jekt des öffentlichen Rechtes. Daß in all diesen Fällen der verpflichtete
Staat nur vor seinen eigenen Gerichten in Anspruch genommen werden
kann (oben$7III1), vermag an der juristischen Eigenart der in Frage
stehenden Rechtsverhältnisse nichts zu ändern.
1) Abweichend Freund (oben $ 11 Note 7). Er nimmt hier einen „‚quasi-
völkerrechtlichen‘ Vertrag an, vermag diesen Begriff aber nicht zu rechtfertigen.
2) Abweichend neuerdings de Louter 1455. Mit dem Text: Cavaglieri
S. 67, Schoenborn S. 4, 46 (beide unten $24 Note).