Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

$ 1. Begriff und Einteilung des Völkerrechte. 3 
(vgl. unten $ 19) die Schaffung besonderer Verwaltungsorgane nötig 
gemacht haben. 
2. Der Umfang der Völkerrechtsgemeinschaft. 
Der Staat, der die Normen des Völkerrechts als für sich verbind- 
lich anerkennt und zugleich die Bürgschaft für ihre Befolgung bietet, 
kann die Aufnahme in die Völkerrechtsgemeinschaft beanspruchen. 
Diese aber entscheidet allein darüber, ob jene Voraussetzungen ge- 
geben sind. 
Dem geschichtlichen Ursprung nach ist das Völkerrecht das Recht 
der „christlich europäischen“ Staaten. Und noch bis zum 
Ausbruch des Weltkrieges pflegte man von dem „europäischen Kon- 
zert" zu sprechen. Aber längst hat die Völkerrechtsgemeinschaft sich 
ausgedehnt über Europa hinaus. Zunächst: sind es die Vereinigten 
Staaten Nordamerikas gewesen, die 1783 in die Gemeinschaft eintraten. 
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts folgten die selbständig 
gewordenen Staaten Süd- und Mittelamerikas. Heute umfaßt sie nicht 
nur die über die ganze bewohnte Erde ausgedehnten Schutzherrschaften 
und Kolonien der europäischen Mächte, sondern auch christliche Staaten 
in anderen Weltteilen. 
Aber auch die Beschränkung auf die christlichen Staaten 
ist aufgegeben. Die Aufnahme der Türkei in das „europäische Konzert‘, 
ausgesprochen durch Art. 7 der Pariser Kongreßakte 1856 (siehe An- 
hang) hat zwar zunächst zu der völligen Gleichstellung mit den übrigen 
Mächten nicht geführt; aber seitdem die Türkei im Juli 1908 in die 
Reihe der Verfassungsstaaten eingetreten ist (Wiederherstellung der 
Verfassung von 1876), war der Verzicht der Mächte auf die Gerichtsbar- 
keit ihrer Konsuln (unten $ 16) nur mehr eine Frage der Zeit. Es 
konnte daher nicht überraschen, daß die Türkei den Weltkrieg dazu be- 
nutzte, diese Gerichtsbarkeit mit Wirkung vom 1. Oktober ab aufzu- 
heben und damit die Gleichstellung mit den übrigen Mächten herbei- 
zuführen. Durch die deutsch-türkischen Rechtsverträge vom 10. Januar 
1917 hat die neue Rechtslage die Anerkennung des Deutschen Reichs 
gefunden.t) 
Rascher hat sich der Eintritt Japans in die Völkerrechtsgemein- 
schaft vollzogen. Japan hatte seit 1854 das Land wenigstens teilweise 
dem Verkehr erschlossen und durch eine Reihe von Verträgen (grund- 
legend der Vertrag mit den Vereinigten Staaten vom 31. März 1854) 
seine Rechtsstellung zu den übrigen Mächten geregelt. Aber erst mit 
der Beseitigung des Lehenstaates (des Shogunats) und der Wiederauf- 
richtung der kaiserlichen Herrschaft (ües Mikado) im Jahre 1868 be- 
ginnt die Zeit eines über alles Erwarten raschen und glänzenden Auf- 
1) Sitzung des Deutschen Reichstages vom 10. Mai 1917. 
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