158 II. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes.
tion). Sie ist dagegen im allgemeinen wirkungslos, wenn ihre Annahme
verweigert wird (anders bei der Kriegserklärung).
Die eingetretene oder bevorstehende Änderung der Rechtslage ist
allen Staaten zu notifizieren, deren Rechte durch die Änderung berührt
werden. Zur Wahrung der Rechte genügt die Erhebung des Widerspruchs
(Protest). Das Stillschweigen bedeutet Verzicht auf die Rechte, welche mit
der Änderung der Rechtslage im Widerspruch stehen (vgl. oben $9 Note 11).
Hat also der Staat B die Mitteilung des Staates A, daB er das Gebiet x für
sich erworben hat, zur Kenntnis genommen, ohne dagegen Widerspruch
zu erheben, so liegt in diesem Stillschweigen der Verzicht des Staates B
auf alle Ansprüche, die er etwa selbst auf den Erwerb des Gebietes x
hat oder zu haben vermeint. Teilt der Staat A den übrigen Mächten
mit, daß er über den Staat B eine Schutzherrschaft begründet hat,
so bedeutet das Stillschweigen der Mächte den Verzicht auf alle Rechte,
die sie durch ältere mit der neuen Schutzherrschaft unvereinbar ge-
wordene Verträge mit dem Staate B (also etwa durch einen Meist-
begünstigungsvertrag) erlangt haben. Geht ein Staat oder ein Staats-
teil, in dem bisher das System der Kapitulationen bestand, in die
Herrschaft eines Mitgliedes der Völkerrechtsgemeinschaft über, so liegt
in der vorbehaltlosen Anerkennung dieser Veränderung zugleich die
grundsätzliche Einwilligung in die Aufhebung der konsularischen Ge-
richtsbarkeit (oben $ 16 IV).
4. Die völkerrechtliche Willenserklärung ist an eine bestimmte Form
nicht gebunden, döch ist Schriftlichkeit der Erklärung die fast allgemeine Regel.
Mündliche Mitteilungen werden wohl durch Übergabe eines aide-
memoire ergänzt. Für die Verhandlungen und Beschlüsse der Staaten-
kongress6e ist der Gebrauch der französischen Sprache üblich (vgl.
Art.120 der Wiener Schlußakte). Verträge zwischen zwei Staaten
pflegen in beiden Landessprachen ausgefertigt zu werden. Das schließt
nicht aus, daß bei Abweichungen der beiden Texte eine Übersetzung
in eine. dritte Sprache für maßgebend erklärt wird; so ist in dem
deutschen Vertrag ‚mit China von 1861 (oben 8 1 Note 3) der fran-
zösische, in dem deutschen Vertrag mit Siam von 1862 (oben $ 1 Note 3)
der englische Text als maßgebend vereinbart.
5. Die Willenserklärung kann eine unbedingte oder eine bedingte sein.
So hat Frankreich die englische Schutzherrschaft über Zanzibar
(seit 1890) unter der Bedingung anerkannt, duß England die französische
Schutzherrschaft über Madagaskar (seit 1885) anerkenne. Häufig kommt
es ferner vor, daß ein Staat auf ein ihm zustehendes Recht (z. B. die
konsularische Gerichtsbarkeit) nur unter der Bedingung verzichtet,
daß derselbe Verzicht auch von den übrigen beteiligten Staaten aus-
gesprochen werde (oben $ 16 IV).