162 IH. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes.
Die Wirksamkeit des Vertrages tritt, wenn nichts anderes be-
stimmt ist, mit der Mitteilung der erfolgten Ratifikation ein; häufig
(so in den Abkommen von 1907) wird aber die Wirksamkeit von dem Ab-
lauf einer weiteren Frist abhängig gemacht.
8. Mit der Ratifikation ist der Vertrag völkerrechtlich verbindlich. Ver-
fassungsrechtliche Bestimmungen, durch welche die Zustimmung der gesetz-
gebenden Faktoren gefordert wird, kommen völkerrechtlich nur soweit in Be-
tracht, als sie Einschränkungen der völkerrechtlichen Vertretungsbefugnis ent-
halten. Ist dies der Fall, so ist zur Verbindlichkeit des Vertrages auch in völker-
rechtlicher Beziehung jene Zustimmung ertorderlich.*)
Bezüglich dieser vielumstrittenen Frage sind folgende Gesichts-
punkte festzuhalten. Staatsrechtliche Beschränkungen der völkerrecht-
lichen Vertretungsbefugnis sind auch völkerrechtlich von entscheidender
Bedeutung (oben 814 I 2). Der Abschluß der Staatsverträge kann
daher nur durch dasjenige Organ erfolgen, dem die Vertretungsbefugnis
nach dem innern Staatsrecht des Staates zukommt. So hat der Deutsche
Kaiser die völkerrechtliche Vertretungsbefugnis (nach Art. 11 der Reichs-
verfassung), und ebenso der, Präsident der Französischen Republik;
für die Schweiz dagegen nicht der Präsident, sondern der Bundesrat.
Wenn das Staatsrecht die Ausübung der Vertretungsbefugnis des Staats-
hauptes an die vorhergehende Zustimmung oder die nachfolgende Ge-
nehmigung der gesetzgebenden Faktoren bindet, so ist die ohne diese
Zustimmung vorgenommene Willenserklärung des Staatshauptes völker-
rechtlich ohne Rechtswirksamkeit; denn nach der Staatsverfassung
bestimmen sich die zum Zustandekommen des Staatswillens erforder-
lichen Voraussetzungen, sie ist die Organisierung der Staatsgewalt auch
in allen Beziehungen des Staates zu anderen Staaten. Wenn dagegen
die Zustimmung oder Genehmigung der gesetzgebenden Faktoren nicht
für die Ausübung der völkerrechtlichen Vertretungsbefugnis durch das
Staatshaupt, sondern lediglich für die staatsrechtliche Verbind-
lichkeit der geschlossenen Verträge durch die Verfassung vorgezeichnet
ist, so kann auch der Mangel dieser Zustimmung nur staatsrechtliche,
nicht aber völkerrechtliche Wirkungen erzeugen. Abschluß des Ver-
trages durch das Staatshaupt, während die Zustimmung der verfassungs-
mäßigen Organe ausfällt, bindet daher in diesem Falle den Staat sei-
nem Vertragsgegner gegenüber, bindet aber nicht die Staatsuntertanen
dem Staate gegenüber.
So sicher das so gewonnene Ergebnis auch sein mag, so schwie-
rig ist die Entscheidung der Frage, welche Bedeutung den durch die
Staatsverfassung aufgestellten Beschränkungen in den einzelnen Staaten
4) Weil, Die Mitwirkung der Volksvertretung bei Staatsverträgen. 1906.
Pitamic, Die parlamentarische Mitwirkung bei Staatsverträgen in Österreich.
1915. Butler, The treaty-making power of the United States. 2 Bde. 1902.