Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

166 II. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes. 
'Ein Beispiel bietet die Weiterbildung der drei Abkommen der 
ersten Haager Konferenz von 1899 im Jahre 1907. Die Konvention betr. 
die internationale Wechselordnung vom 23.Juli 1912 hat in Art. 30 
dis Änderung und Ergänzung der vereinbarten Bestimmungen vorge- 
sehen und geregelt. 
V. Die Aufhebung der Verträge erlolgt nach den bekannten, der allgemeinen 
Rechtslehre angehörigen Grundsätzen.”?) 
Dies gilt auch von der Kündigung, die in den neueren Ver- 
trägen (so in den Abkommen von 1907) vielfach ausdrücklich vor- 
gesehen ist, deren Wirkung aber meist erst nach Ablauf einer be- 
stimmten Frist eintritt. 
Nur einzelne Punkte bedürfen der Erörterung. 
1. Verträge, die im Hinblick auf einen bestimmten tatsächlichen Zustand 
und unter Voraussetzung seiner Fortdauer geschlossen sind, können einseitig 
gekündigt werden, wenn dieser Zustand sich wesentlich geändert hat (clausula 
„rebus sic stantibus‘‘).®) 
Die Behauptung, daß alle völkerrechtlichen Verträge mit der 
stillschweigenden Klausel geschlossen werden, daß sie bei Änderung 
der Sachlage gekündigt werden können, ist in dieser Allgemeinheit 
zweifellos unrichtig; durch diese Behauptung würde das Völkerrecht 
in seinen Grundlagen verneint. Der wechselnde Lauf der geschichtlichen 
Ereignisse würde wohl in jedem einzelnen Falle eine Verschiebung 
der Verhältnisse nachweisbar machen und damit die Vertragstreue, 
ohne die das Völkerrecht nicht bestehen kann, in das Belieben der 
vertragschließenden Staaten stellen. 
Jedenfalls dürfen Verträge, die auf eine bestimmte Zeit geschlossen 
worden sind (etwa Handelsverträge mit zwölfjähriger Gültigkeit), man- 
gels einer besonderen Vereinbarung nicht vor Ablauf dieser Frist ein- 
seitig gekündigt werden. Die Kündigung wäre ein Rechtsbruch, der 
den Vertragsgegner zur Anwendung von Gegenmaßregeln, in letzter 
Linie zur Kriegserklärung, -berechtigen würde. 
Auck bei Verträgen, die auf unbestimmte Zeit, vielleicht sogar 
„auf ewige Zeiten‘ geschlossen worden sind, ist keiner der vertrag- 
schließenden Teile, von besonderer Vereinbarung abgesehen, ohne wei- 
7) Vgl. Bertram, Die Aufhebung der völkerrechtlichen Verträge. Erlanger 
Diss. 1915 (mit der älteren Literatur). 
8) Bruno Schmidt, Über die völkerrechtliche clausula rebus sic stantibus 
sowie einige verwandte Völkerrechtsnormen. 1907. E. Kaufmann, Das Wesen 
des Völkerrechts und die clausula r.s. st. 1911. Bonucci, K. Z. IV 449. — In- 
teressante Bemerkungen in Bismarcks Gedanken und Erinnerungen IF 258. — 
Zu beachten ist, daß auch das bürgerliche Recht das Erlöschen eines Vertrages 
wegen Wegfalls des Interesses, übermäßiger Beschwerung des Verpflichteten wie 
aus anderen ähnlichen Gründen kennt.
	        
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