168 II. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes.
Friedenskonferenzen, bleiben In Kraft. : Dasselbe gilt. von den allgemeinen
Staatenverträgen.
.. Es erlöschen also nieht bloß die rechtsgeschäftlichen . Verträge,
die mit ‘dem Kriegszustand unverträglich sind, also etwa Bündnis-
verträge, die zwischen den Setzigen Gegnern geschlossen waren, son-
dern, alle zweiseitigen Verträge, die nicht, wie Neutralisierungs-
verträge, Verträge über den freien Abzug gegnerischer Staatsangehöriger
usw., erst unter der Voraussetzung des Kriegszustandes ihre Wirksam-
keit entfalten. Daß-die zwischen den Kriegführenden bestehenden Han-
delsverträge erlöschen, wird von allen Seiten zugegeben. Dasselbe gilt
aber auch -von Auslieferungs-, Konsular-, Rechtsschutz- usw. Verträgen.
Dagegen ‚werden allgemeine Verträge, die nicht nur zwischen den
Kriegführenden, sondern zugleich mit anderen Staaten abgeschlossen
sind, wie der Weltpostverein oder die Vereinbarungen zum Schutze des
literarischen oder gewerblichen Eigentums, zwar zwischen den Kriegs-
gegnern- suspendiert, bleiben aber im übrigen bestehen. Daher sind
auch während des Weltkrieges fortlaufend Beitrittserklärungen zu sol-
chen allgemeinen Verträgen von seiten neutraler Staaten. erfolgt und
im Reichsgesetzblatt verzeichnet. Verletzung solcher Verträge durch
einen Kriegführenden berechtigt den Gegner, sie dem Verletzer gegen-
über als aufgehoben zu betrachten; damit wird aber die auf dem Ver-
trag beruhende Landesgesetzgebung nicht ohne weiteres hinfällig?).
Bereits erworbene Rechte bleiben unberührt; die entgegengesetzte eng-
lische Anschauung (unten $39V) steht in Widerspruch zu den Haager
Vereinbarungen von- 1907.
Die Staatenpraxis der letzten Jahrzehnte stimmt durchaus mit
dieser Ansicht überein!%). Vgl. Art.11 Abs.1 des Frankfurter Frie-
9) Selbstverständlich kann aber. die Aufhebung im Wege der Vergeltung
erfolgen. — Ebenso Reichsgericht 26. Oktober 1914. Vgl. Beer, N. Z. XXV 321.
Junck, Leipziger Zeitschrift 1915, S. 329. Brack, Zusammenhang zwischen
‚völkerrechtlichen Verträgen und Staatsgesetz 1914.
10) Abweichend Oppenheim II 129, Ullmann 475, Politis, Annaaire
XXIV 200, Lippert S.309, Heilborn bei Stier-Somlo I47. — Während des
Krieges ist die Frage viel erörtert worden. Mehrfach wird behauptet, daß privat-
rechtliche Vereinbarungen zwischen den kriegführenden Staaten trotz des Krieges
bestehen bleiben; so von Beer, Niemeyer, Kleinfeller. Ich muß nach wieder-
holter Prüfung diese Ansicht schon deshalb ablehnen, weil der Krieg mehr und mehr
den Charakter eines auch das Privatrecht ergreifenden Wirtschaftskrieges ange-
nommen hat. — Vgl. Philippson, The effect of war on contracts. 1909. Jaco-
met, La guerre et les trait&s. 1909 (nach'ihm werden nur die’politischen Verträge
aufgehoben). Reinsch (oben $19 Note l) S.142. Annuaire XXV 610. Biller-
beck, Der Einfluß des Kriegsbeginns und des Friedensschlusses auf die zwischen
den kriegführenden Staaten vor Ausbruch des Krieges geschlossenen Verträge.
Breslauer Diss. 1911. Schätzel, Der Krieg als Endigungsgrund von Verträgen.