180 II. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr innerhalb des Staatenverbandes.
diplomatischem Wege bei der fremden Regierung Entschädigung verlangt
und erhalten. Aber eine Rechtspflicht, diesem Verlangen zu entsprechen,
besteht auch hier nicht; und die mittel- und südamerikanischen Staaten
haben nicht nur wiederholt das Verlangen zurückgewiesen (so Vene-
zuela 1895), sondern auch in den mit den europäischen Mächten ge-
schlossenen Verträgen ihre Verpflichtung ausdrücklich abgelehnt. Bei-
spiel: Deutsch-mexikanischer Freundschafts- usw. Vertrag vom 5.De-
zember 1882 (R.G.Bl.1883 S.247) Art.18 Abs.3: „Ferner besteht
- darüber Einverständnis unter den vertragschließenden Teilen, daß die
deutsche Regierung, mit Ausnahme der Fälle, wo ein Verschulden
oder ein Mangel an schuldiger Sorgfalt seitens der mexikanischen Be-
hörden oder ihrer Organe vorliegt, die mexikanische Regierung nicht
verantwortlich machen wird für Schäden, Bedrückungen oder Er-
pressungen, welche die Angehörigen des Deutschen Reichs in dem
Gebiete Mexikos in Zeiten der Insurrektion oder des Bürgerkrieges von
seiten der Aufständischen zu erleiden haben sollten, oder welche ihnen
durch die wilden Stämme zugefügt werden, die den Gehorsam gegen
die Regierung nicht anerkennen.“ Ähnlich in späteren Verträgen mit
anderen Staaten.
IV. Der Begritft des Deliktes wird ausgeschlossen durch den Mangel der
Rechtswidrigkeit.
Er wird also beseitigt durch die Befugnis zu dem Eingriff in die
Rechtssphäre des verletzten Staates, mag diese Befugnis auf allgemeinen
Rechtssätzen oder auf besonderer Einräumung beruhen. Doch ist nicht
ausgeschlossen, daß die Ersatzpflicht ohne die übrigen Unrechtsfolgen
trotz der Rechtmäßigkeit eintritt. Diese Erscheinung hat dieselbe Be-
deutung wie auf dem Gebiete des Privatrechtes. Der Standpunkt der
Deliktshaftung ist damit aufgegeben.
1. Hierher gehört zunächst die berechtigte Selbsthilfe, Insbesondere die
Intervention (unten 8 88 IV).
2. Der Einwilligung des verletzten Staates muß unter allen Umständen
die Kraft eines die Rechtswidrigkeit ausschließenden Umstandes beigelegt werden.
Das folgt aus der Souveränität der Staatsgewalt.e Eine Ein-
schränkung ist nur insoweit zu machen, als die Handlung nicht nur
die Interessen des unmittelbar verletzten Staates selbst, sondern auch
diejenigen anderer Staaten verletzt. Die Einwilligung eines neutralen
Staates in die Besetzung seines Gebietes durch eine kriegführende Macht
würde dieser Besetzung die Rechtswidrigkeit zu nehmen nicht in der
Lag> sein.
8. Die strafrechtlich und privatrechtlich anerkannten Begrifte der Not-
wehr und des Notstandes schließen auch für das Gebiet des Völkerrechts die
Rechtswidrigkeit der begangenen Verletzung aus.