10 Einleitung.
tatsächlich eingeräumten Rechtsstellung; in den Neutralitätserklärungen
bei ausgebrochenem Krieg; in der Optionsklausel der Friedensverträge
usw.; ferner vor allem in dem Inhalt der zwischen den cinzelnen
Staaten geschlossenen Verträge, auch wenn diese nicht allgemeine, für
das künftige Verhalten der beteiligten Staaten bindende’ Normen ent-
halten; aber auch in der nationalen Gesetzgebung und Rechtsprechung
(nicht nur der Prisengerichte), insoweit deren inhaltliche Überein-
stimmung in den verschiedenen Staaten die Gemeinsamkeit der Rechts-
überzeugung erkennen läßt (,„Parallelgesetzgebung der Staaten‘ nach
Stoerk);
b) in den Entscheidungen der internationalen Gerichte (insbeson-
dere der Schiedsgerichte). Beispiel: Die Entscheidung des Alabama-
Streitfalls (vgl. unten 8 38 II 1).
2. Die ausdrückliche Rechtssatzung finden wir:
a) In den Vereinbarungen?) der Staaten selbst, meist, wenn auch
nicht ausschließlich, auf internationalen Konferenzen und Kongressen
(Wiener Kongreßakte von 1815 über die Schiffahrtsfreiheit auf den
internationalen Strömen; Pariser Seerechtsdeklaration von 1856; Genfer
Konventionen von 1864 und 1906; Generalakte der Haager Friedens-
konferenzen von 1899 und 1907; Londoner Seerechtserklärung von
1909 u. a.); ferner in den Gründungssatzungen der internationalen Ver-
waltungsgemeinschaften (unten 8 19)°);
b) in den Aussprüchen der Schiedsgerichte, soweit diesen durch
Vereinbarung der Streitteile die Funktion der Rechtssatzung über-
tragen ist®). u
U. Eine allgemeine Kodifikation des Völkerrechts ist in der Lite-
ratur seit Bentham durch eine ganze Reihe von Schriftstellern vor-
geschlagen worden, insbesondere 1872 durch den nachmaligen Pgä-
2) Die schon von Binding und Jellinek aufgestellte Unterscheidung
zwischen dem Vertrag als Rechtsgeschäft und der Vereinbarung als Rechts-
satzung hat Triepel zum Ausgangspunkte seiner Untersuchungen gemacht.
Ähnlich Heilborn, Anzilotti, Diena u. a. Da aber die völkerrechtlichen
Vereinbarungen in der Form von Staatenverträgen zustande zu kommen pflegen,
finden die für diese geltenden Rechtssätze grundsätzlich auch auf jene Anwen-
dung. Zutreffend Nippold, Die Fortbildung des Verfahrens in völkerrecht-
lichen Streitigkeiten. 1907. S.19 Notel; E. Kaufmann (unten $22 Note 7)
S. 160; Oppenheim I23; Ullmann 45; Fleischmann (unten $22 Note 1) 505;
Striemer.
3) Die von den internationalen Verwaltungskommissionen innerhalb ihrer
Zuständigkeit erlassenen allgemeinen Vorschriften sind nicht Völkerrecht im
technischen Sinn. Vgl. darüber unten $5 Note2.
4) Vgl. den Schiedsspruch vom 2. April 1901 unten $16 Note4. — Auch
dem vorgeschlagenen internationalen Prisenhof (unten $ 43) ist die Befugnis,
ergänzende Rechtssätze aufzustellen, ausdıücklich übertragen.