$33. Gesetzgebung und Rechtspflege. 3. Strafrecht und Auslieferungswesen. 233
belgisches Gesetz von 1833, durch das für den Abschluß von Aus-
lieferungsverträgen der Grundsatz aufgestellt wurde: „qu’il sera ex-
press&ment stipule, que l’etranger ne pourra ätre poursuivi pour aucun
delit politique anterieur. a l’extradition ni pour aucun fait connexe
a un semblable delit". Die Rechtfertigung dieses Satzes liegt in der
Verschiedenheit der Regierungssysteme der verschiedenen Staaten und
in der Unsicherheit der politischen Verhältnisse. Er ist daher auch
ın die Mehrzahl der Auslieferungsverträge übergegangen; nicht freilich
in die Verträge Rußlands mit Preußen und Bayern von 1885 sowie in
den deutschen Vertrag mit dem Kongostaate von 1890.
Dabei bietet aber der Begriff des politischen Delikts
große Schwierigkeiten. Nach der maßgebend gewordenen belgischen
Rechtsauffassung ist nicht, wie oft in der älteren Literatur behauptet,
das politische Motiv der Tat entscheidend, sondern die Richtung
des Verbrechens; politische Verbrechen sind daher die vorsätzlichen
Verbrechen, die gegen Bestand und Sicherheit des (eigenen oder frem-
den) Staates oder gegen das Staatshaupt oder die politischen Rechte
der Staatsbürger gerichtet sind.
Das Asylrecht wird aber auch nach dem Vorbild der belgischen
Gesetzgebung über die sogenannten „absolut politischen Verbrechen“
hinaus ausgedehnt auf die „relativ politischen Delikte“; Delikte,
die, an sich dem gemeinen Recht angehörend, mit einem politischen
Verbrechen „connex‘ sind. Es sind darunter die gemeinen Verbrechen
zu verstehen, die als das Mittel zur Begehung eines absolut politischen
Delikts erscheinen: also z. B. Tötung und Körperverletzung, Sach-
beschädigung und Brandstiftung, die während eines auf Umsturz der
Verfassung abzielenden Aufstandes begangen werden.
Aber gerade diese Ausdehnung auf die relativ politischen Delikte
hat in den letzten Jahrzehnten eine Rraktion hervorgerufen. Man hat
sich besonders bemüht, den Königsmord von dem den politischen
Verbrechen gewährten Asylrecht auszuschließen. Dabei ist die Fassung
der sogenannten „belgischen Attentatsklausel“ für die Auslieferungs-
verträge maßgebend geworden. Sie beruht auf dem belgischen Gesetze
vom 22.März 1856: „Ne sera pas re&pute& delit politique ni fait con-
nexe & un semblable delit, l’attentat contre la personne du chef d’un
gouvernement £tranger ou contre celle des membres de sa famille,
lorsque cet attentat constitue le fait, soit de meurtre, soit d’assassinat,
soit d’empoisonnement“. Auch die deutschen Verträge seit 1874 haben
meist diese Klausel aufgenommen; sie findet sich dagegen nicht in
den mit Italien, Großbritannien, den Niederlanden und der. Schweiz,
wohl aber wieder in den mit Paraguay, Bulgarien und der Türkei Art. 4
(„Angriff auf das Leben eines Staatsoberhauptes oder der Mitglieder
seines Hauses‘) abgeschlossenen Verträgen. Mehrfach enthalten die