Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

234 II. Buch. Die Interessengemeinschaft des völkerrechtl. Stastenverbands. 
Verträge (so die des Deutschen Reichs mit Paraguay und der Türkei) 
die weitere Ausnahme, daß anarchistische Verbrechen nicht als 
politischo angesehen werden und daher der Auslieferung unterliegen. 
8. Die Auslieferung findet nur statt, wenn die Handlung nach dem Ge- 
setz beider Staaten, des ersuchenden und des ersuchten, strafbar ist; sie wird 
nicht gewährt, wenn die Strafbarkeit nach dem Recht des einen oder des andern 
der beiden Stasten ausgeschlossen oder aufgehoben ist (Grundsatz der Identi- 
schen Norm). 
Die Auslieferung wird daher z. B. versagt, wenn nach dem Recht 
des ersuchten Staates die Verjährung eingetreten ist, mag auch nach 
der Gesetzgebung des ersuchenden Staates die Tat noch nicht verjährt 
sein. Sie wird ferner versagt, wenn wegen derselben Tat bereits durch 
die Gerichte des ersuchten Staates entschieden ist. 
Dieser Satz, der sich in den meisten Auslieferungsverträgen der 
verschiedenen Staaten ausdrücklich ausgesprochen findet, steht im 
Widerspruch zu der grundsätzlichen Auffassung der Auslieferung 
als eines Aktes der Rechtshilfe; denn diese setzt lediglich voraus, 
daß aus der Tat für den ersuchenden Staat ein Strafanspruch entstanden 
sei, zu dessen Durchsetzung der ersuchte Staat seine Hilfe leistet. Den- 
noch wäre es durchaus verkehrt, aus dieser Inkonsequenz die Ablehnung 
iener grundsätzlichen Auffassung abzuleiten und die Auslieferung als 
einen Akt der kosmopolitischen Rechtspflege aufzufassen’). 
4. Nicht ausgeliefert werden nach der kontinental-europäischen und süd- 
amerikanischen Rechtsanschauung die eigenen Staatsangehörigen, auch weunsie 
das Verbrechen im Auslande begangen haben. 
Dieser Satz beruht teils (wie in Belgien Art.8) auf der inner- 
staatlichen Verfassung, teils, wie in Deutschland ($ 9), auf der inner- 
staatlichen Strafgesetzgebung. Er hat seinen Grund in dem Mißtrauen 
gegen die Strafrechtspflege des ersuchenden Staates und steht daher 
im Widerspruch zu den Grundgedanken des Völkerrechts. Aber auch 
die Strafverfolgung wird durch die Nichtauslieferung an die Behörde 
des Tatortes ganz wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht. 
Großbritannien und die Vereinigten Staaten tragen grundsätzlich kein 
Bedenken, ihre Staatsangehörigen an die Behörden des Begehungsortes 
auszuliefern®). 
b. Das Auslielerungsverlahren. 
Das Ersuchen um Auslieferung ist, soweit nicht besondere Ver- 
  
  
5) Gegen die abweichende Auffassung von Lammasch vergleiche v. Liszt, 
Zeitschrift II 50 (Aufsätze 190) und v. Martitz 1440. | 
6) Literatur bei v. Liszt, Lehrbuch des Strafrechts, 20.Aufl. $23 Note 3. 
v. Martitz 1305. Teich, Die Staatsangehörigkeit im deutschen Auslieferungs- 
recht. 1909. Die deutsche Literatur hat sich überwiegend (anders Teich) gegen 
die „Auslieferung der Nationalen‘‘ ausgesprochen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.