Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

$ 33. Gesetzgebung und Rechtepflege. 3. Strafrecht und Auslieferungswesen. 235 
einbarungen den direkten Weg gestatten, auf diplomatischem Wege 
an die zuständigen Behörden des Zufluchtsstaates zu übermitteln. Es 
setzt voraus, daß entweder eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt 
oder ein richterlicher Haftbefehl gegen den Verdächtigen ergangen ist. 
Darüber, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, entscheiden in Groß- 
britannien und den Vereinigten Staaten die Gerichte, in den kontinental- 
europäischen Staaten die oberste Verwaltungsbehörde unter Mitwirkung 
der Gerichte. Außerdem kann die vorläufige Festnahme des Verdäch- 
tigen begehrt werden, deren Dauer aber zeitlich beschränkt ist. Die 
Aburteilung des ausgelieferten Verbrechers wird beherrscht durch den 
„Grundsatz der Spezialität“, d. h. der Ausgelieferte kann im 
allgemeinen nur wegen derjenigen Tat abgeurteilt werden, wegen deren 
die Auslieferung begehrt und gewährt worden ist; die Verurteilung 
wegen einer andern vor der Auslieferung begangenen Tat ist nur dann 
zulässig, wenn die ausliefernde Staatsgewalt zustimmt, oder wenn 
der Ausgelieferte entsprechende Zeit gehabt hat, sich aus dem Staats- 
gebiete des ersuchenden Staates zu entfernen, oder wenn er dahin 
wieder zurückgekehrt ist. 
Auch die Durchlieferung kann auf Grund der bestehenden 
Verträge von einem dritten Staate begehrt werden; sie wird bewilligt, 
wenn die begangene Tat, wegen deren die Durchlieferung begehrt 
wird, auch die Auslieferung rechtfertigen würde. 
II. Die Auslieferungsverträge pflegen weiter auch noch Vereinbarungen über 
die in Strafsachen zu leistende Bechtshilfe, so von Zeugenvernehmungen und 
anderen Untersuchungshandlungen, und über die Mitteilung ergangener Stral- 
urteile zu enthalten. 
IV. Über die Ablieferung Nlüchtiger Schiffsmannschaften werden Verein- 
barungen entweder in besonderen Kartellen oder in Konsular- und andern all- 
gemeincoren Verträgen getroffen.) Die Auslieferung von Wehrpflichtigen und 
Fahnenflüchtigen ist mehrfach in besonderen Militärkartellkonventionen ver- 
einbart. 
Solche Konventionen waren im 19. Jahrhundert nicht selten. Vgl. 
die deutsch-dänische vom 25. Dezember 1820 und die Konvention zwi- 
schen den Staaten des ehemaligen deutschen Bundes vom 10. Februar 
1831 (Preuß. Gesetzsammlung 1821 S.33, 1831 S.41). Neuerdings hat 
Deutschland mit der Türkei die gegenseitige Auslieferung der ge- 
nannten Personen vereinbart (10. Januar 1917). Die Vereinbarung ist 
auf die deutschen Schutzgebiete ausgedehnt; doch liefert die Türkei 
deutsche Mohammedaner aus den deutschen ‘Schutzgebieten nicht aus. 
7) Zusammenstellung bei König (oben $16 Notel) II 197.
	        
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