264 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
diesem Vorbild findet sich mehrfach auch in neueren Kollektiv-
verträgen die Verpflichtung der Verträgsmächte, ehe sie wegen der
zwischen ihnen ausgebrochenen Streitigkeiten zu den Waffen greifen,
die guten Dienste oder die Vermittlung befreundeter Mächte in Anspruch
zu nehmen. Vgl. Art.11 und 12 der Kongoakte vom 26. Februar 1885.
Die Vermittlung kann auch durch Anrufung eines Staätenkongresses
erfolgen (Deutschland als „ehrlicher Makler‘ im Jahre 1878).
Eine wertvolle Weiterbildung hat das Institut der Vermittlung durch
das erste Abkommen der beiden Friedenskonferenzen (Art.2 bis 8) er-
fahren. Die Signatarmächte „kommen überein‘, bevor sie zu den Waffen
greifen, die guten Dienste oder die Vermittlung einer befreundeten Macht
anzurufen, „soweit dies die Umstände gestatten werden‘ ; den am Streit
nicht beteiligten Mächten wird ausdrücklich das Recht eingeräumt, ihre
guten Dienste oder ihre Vermittlung anzubieten, und die Ausübung
dieses Rechts kann niemals als eine „unfreundliche Handlung“ (un: acte
peu amical) betrachtet werden. Durch die Annahme der Vermittlung
wird die Eröffnung oder die Fortsetzung: der Feindseligkeiten nicht ge-
hemmt. Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß die Vermittlung „aus-
schließlich die Bedeutung eines Rates und niemals verbindliche Kraft
hat“. Als wichtiger Anwendungsfall dieser Rechtssätze ist die Vermitt-
lung der Vereinigten Staaten in dem russisch-japanischen Kriege 1905
(oben S.28) zu nennen. Neben dieser allgemeinen Vermittlung kennt die
Konvention aber noch eine „besondere Vermittlung‘ (mediation
speciale, Art.8), die den „Sekundanten‘ beim Zweikampf nachgebildet
ist. ‚Sic besteht darin, daß jede der beiden streitenden Mächte eine
andere Macht wählt, die sie mit der Aufgabe betraut, in unmittelbare
Verbindung mit der von der andern Seite gewählten Macht zu treten,
um den Bruch der friedlichen Beziehungen zu verhüten. Während der
Dauer dieses Auftrages, die, von besonderer Vereinbarung abgesehen,
30 Tage nicht übersteigt, stellen die streitenden Teile jede unmittelbare
Verhandlung über den Streit ein; die Verhandlung bleibt ausschließlich
den vermittelnden Mächten überlassen. Auch wenn diese Bemühungen
nicht zum Ziele führen und die friedlichen Beziehungen zwischen den
streitenden Mächten abgebrochen sind, bleiben die vermittelnden Mächte
mit der gemeinsamen Aufgabe betraut, jede Gelegenheit zu benutzen,
um den Frieden wieder herzustellen.
Bei Ausbruch und während der Dauer des Weltkrieges hat das In-
stitut der Vermittlung bis über das dritte Kriegsjahr hinaus völlig
versagt
Il. Die friedliche Beilegung völkerrechtlicher Streitigkeiten kann auch durch
Schiedsspruch geschehen.?)
5) Vgl. Lammasch bei Stier-Somlo III. 3. Abteilung 1914. Derselbe,
Jahrbuch des Öffentl. Rechts. VI76. Derselbe. Die Rechtskraft der Schieds-