8 38. Die nicht-kriegerische Erledigung der Staatenstreitigkeiten. 265
Der Schiedsspruch unterscheidet sich von dem richterlichen Urteil
nicht durch seinen Inhalt, sondern durch seine Grundlage. Wie dieses
entscheidet er den Rechtsstreit nach Rechtssätzen, nicht nach Billig-
keit; soweit dem Schiedsrichter nicht etwa, über seine eigentliche
Funktion hinaus, die freie Schlichtung eines Interessenkonfliktes (als
amiable compositeur, oben S.263) übertragen ist. Aber die Grundlage
des Schiedsspruches ist stets nur der Wille der Streitteile, nicht ein
über diesen stehendes Recht.
| 1. Die Befugnis der Schiedsrichter ruht in der Mehrzahl der Fälle auf
einem besonderen Schiedsvertrag (compromissum) der beteiligten Staaten,
durch welchen diese sich verpflichten, die Entscheidung der zwischen Ihnen
entstandenen Streitigkeit dem Ausspruch der von Ihnen vereinbarten Sehied»-
richter zu übertragen. .
. Solche („isolierte“) Schiedsverträge, schon in früherer Zeit nicht
selten, finden sich mit steigender Häufigkeit seit dem Beginn: des
19. Jahrhunderts. Von 1800 bis 1900 sind “über 170, seit Beginn des
"20. Jahrhunderts bereits gegen 130 Schiedsverträge geschlossen worden.
Daß von einem Staate dem. gegen ihn ergangenen Schiedspruche die
Folge versagt worden wäre, ist in keinem dieser 300 Fälle vorgekom-
men. Der bekannteste Schiedsspruch wurde in der Alabamafrage zwi-
schen England und den Vereinigten Staaten auf Grund des Washingtoner
Schiedsvertrages vom 8.Mai 1871 am 14. September 1872 gefällt. . Er
verurteilte die englische Regierung zur Zahlung von 151,» Millionen
Dollars, weil sie geduldet hatte, daß während des amerikanischen
Bürgerkrieges Kreuzer der Südstaaten in englischen Häfen ausgerüstet
wurden (unten $4211l2a)®).
sprüche. 1913 (Publication de l’Institut Nobel Norvögien II2). Wehberg, bei
v.Stengel-Fleischmann III345. Strupp, Die internat. Schiedsgeriohtsbar-
keit. 1914. A. Merignhac, Trait& th&orique et pratique de l’arbitrage internat.
1895. Bustamante 198. de Louter II121. Nys II 547. Rivier 366. Ull-
mann 440. Loris, Les bases &conomiques de la justice internat. 1912. Curtius,
R.J. XLII5. Nys, R.J. XLII 595 (über Revision des Schiedsspruchs). Imberg,
Die Stellung der Vereinigten Stasten zur internat. Schiedsgerichtafrage. 1914.
Taft, The United States and peace. 1914. Godron, La clause compromissoire.
1916. — EineZusammenstellung der bisherigen Schiedssprüche gibt La Fontaine,
Pasicrisie internat. Histoire documentaire des arbitrages internat. 1902: R.J.
XXXIV. 349, 558, 623. De Lapradelle et Politis, Reoueil des arbitrages
internat. 1. Bd. 1798 bis 1855. 1905. — Raeder, L’arbitrage internat. chez les
Hellenes (Publications de l’Institut Nobel Norvögien. 1. Bd.). 1912. ‚Tod, In-
ternat. arbitration amongst the Greeks. 1913.
6) Der Alabama-Schiedsspruch ist abgedruckt N. R. G. 2. s. I 37; der Schieds-
vertrag zu Washington vom 8. Mai 1871 bei Fleischmann 95 und Strupp I.405.
Vgl. auch Geffken, Die Alabamafrage, 1872. R.J. 1153, 449; II 452; IV 127.
v. Pauer, Die Entstehungsgeschichte der Washingtoner Regeln. Würzburger Diss,
1908. Hacket, Reminiscences of the Geneva tribunal of arbitration 1872; the Ala-
bama claims. 1911. Balch, Internat. courts uf arbitration (1874). 4. Aufl. 1912.