Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

268 - IV. Buch. . Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten. 
hof gebildet werden soll, dem die Vertragsstaaten die zwischen ihnen 
entstehenden Streitigkeiten zuweisen können, soweit sie es nicht 
vorziehen, sie auf anderm Wege zur Erledigung zu bringen. Die Über- 
weisung des Streitfalles an das Schiedsgericht steht däher in dem 
freien Belieben der Streitteile- (fakultative Schiedsprechung); der 
Vorschlag, wenigstens im gewissen Rechtstreitigkeiten die Anrufung des 
Schiedsgerichtes obligatorisch zu machen, scheiterte auch 1907 
an dem Widerspruch des Deutschen Reichs. Siehe darüber unten unter. 
Von der „Internationalen Schiedssprechung‘ (De l’arbitrage inter- 
national) handelt der vierte Titel des ersten Abkommens von 1907. Er 
zerfällt in vier Kapitel. | 
Das erste Kapitel betrifft das „Schiedswesen“ (la justice 
arbitrale; Art.37 bis 40. In Rechtsfragen, in erster Linie in Fragen 
der Auslegung oder Anwendung von Staatsverträgen, wird die Schieds- 
sprechung von den Signatarmächten als das wirksamste und zugleich 
der Billigkeit am meisten entsprechende Mittel anerkannt, um die 
Streitigkeiten zu erledigen, die nicht auf diplomatischem Wege haben 
beseitigt werden können. Die Anrufung des Schiedshofes erfolgt auf 
Grund des zwischen den Streitteilen geschlossenen Schiedsvertrages. 
Doch können die Parteien dem Schiedshof die Feststellung des Schieds- 
vertrages überlassen; unter gewissen Voraussetzungen ist er dazu auch 
auf einseitigen Antrag eines Streitteils zuständig (Art. 53). | 
Das zweite Kapitel (Art.41 bis 50) enthält die schon oben 
817II besprochene Einsetzung eines „ständigen Schiedshofes“. 
An dem durch die Streitteile bestimmten Tage tritt das Schiedsgericht 
zusammen. Die Signatarmächte betrachten es als ihre Pflicht, die 
streitenden Mächte daran zu erinnern, daß ihnen der ständige Schieds- 
hof offenstehe; auch kann jeder der Streitteile in einer an das Bureau 
gerichteten Note sich bereit erklären, den Streitfall der Schiedssprechung 
zu unterbreiten (Art. 48). 
Kapitel 3 (Art. 51 bis 85) regelt das Schiedsverfahren (la 
procedure arbitrale), soweit über dieses nicht besondere Vereinbarungen 
unter den Streitteilen getroffen sind. Das Verfahren zerfällt in zwei 
Abschnitte: die schriftliche Vorbereitung (instruction) und die 'münd- 
liche Verhandlung vor dem Gericht (debats). Die Entscheidung ‚wird mit 
Stimmenmehrheit gefällt und muß mit Gründen versehen werden. Der 
verkündete und zugestellte Schiedsspruch erledigt im allgemeinen end- 
gültig die Streitsache; doch können die Parteien sich im Schiedsvertrage 
stellung ferner bei Brown Soott, The Hague Court Reports. 1916. (Heraus- 
gegeben vom Carnegie Endowment). Vgl. auch die völkerrechtlichen Zeit- 
schriften und Sammelwerke, wie die Jahresberichte des Haager Verwaltungsrates. 
— Über den 1907 vorgeschlagenen wirklich ‚ständigen‘ Schiedsgerichtshof s. oben 
817112; über den Prisenhof unten 843.
	        
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