Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

$ 38. Die nicht-kriegerische Erledigung der Staatenstreitigkeiten. 269 
vorbehälten, die. Nachprüfung (revision) des Schiedsspruches zu bean- 
tragen. Diese kann nur auf neu hervorkommende Tatsachen gestützt 
werden. Sie geht an das Gericht, das den Spruch abgegeben hat, und 
wird von diesem erledigt. Der Spruch bindet nur die Streitteile, die 
den Schiedsvertrag geschlossen haben; handelt es sich aber um die 
"Auslegung eines Vertrages, an dem auch dritte Mächte beteiligt sind, 
so haben diese das Recht der Intervention. Jeder Teil trägt seine eige- 
nen Kosten und, zu gleichen Teilen, die Kosten des Schiedsverfahrens. 
Das vierte Kapitel, 1907 neu angefügt, regelt die-Grundlagen für 
ein beschleunigtes Verfahren (Art.86 bis 9%). Das Schieds- 
gericht besteht nur aus drei Richtern. Die Parteien werden vor dem 
Gerich# durch Agenten vertreten. Das Verfahren ist ausschließlich 
schriftlich, d.h hat jede Partei das Recht, das Erscheinen von Zeugen 
und Sachverständigen zu verlangen, und das Gericht kann von den 
Agenten, wie von Zeugen und Sachverständigen mündliche Aufklärungen 
fordern. | 
ö. Die obligatorische Schiedssprechung.?!) 
‘Die Vereinbarungen des ersten Haager Abkommens beschränkten 
sich, wie bemerkt, auf die fakultative Schiedssprechung. Das von Ruß- 
land schon 1899 vorgeschlagene „Obligatorium‘‘ scheiterte damals an 
dem Widerspruch der deutschen Delegation. Auch die Verhandlungen 
von 1907 führten nicht zum Ziel. Allerdings sollte der Kollektivvertrag 
dia obligatorische Schiedssprechung nicht auf alle Streitigkeiten zwi- 
schen den Signatarmächten ausdehnen; sie sollte nur eigentliche Rechts- 
fragen umfassen und (abgesehen von den in der „Liste‘‘ aufgezählten, 
rein technischen Fragen) überdies durch die sogenannte „Ehrenklausel“ 
(oben S. 267) eingeschränkt sein. Aber auch gegen dieses beschränkte Obli- 
gatorium machte die deutsche Delegation schwerwiegende Einwendungen 
geltend. Sie wies darauf hin, daß die Trennung der Rechtsfragen von den 
Interessenfragen kaum durchgeführt werden könne; daß für Rechtsstreitig- 
keiten von untergeordneter Bedeutung das Schiedsverfahren viel zuschwer- 
fällig sei, daß die Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen ver- 
fassungsrechtlichen Schwierigkeiten begegnen werde; daß endlich die 
Unklarheiten über die Wirkung des Schiedsspruches fortbeständen. Da 
auch andere Großmächte mehr oder weniger bestimmt dem deutschen 
Standpunkt sich anschlossen, mußte die Konferenz sich damit be- 
gnügen, in eirer allgemein gehaltenen und daher einstimmig ange- 
  
11) Zorn, Das Deutsche Reich und die internatienale Schiedsgerichtsbarkeit 
1911. Nippold, Jahrbuch des öffentlichen Rechts VIII 1. — Vgl. auch den obli- 
gatorischen Sohiedsvertrag zwischen verschiedenen amerikanischen Staaten vom 
29. Januar 1902 bei Strupp I 807.
	        
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