Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

276 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten. 
Doch hat gerade der Weltkrieg den Beweis erbracht, daß mit der 
Steigerung der Kriegstechnik und ihrer Bedeutung die Entscheidung im 
Kriege, d.h. die vollständige Niederwerfung des Gegners, immer weniger 
von dem Ausgang des Waffenkampfes allein abhängt. Damit ist die 
Frage nach der Rationalität dieser ultimo ratio aufs neue zur Erörte- 
rung gestellt. 
IL Krieg ist der mit Walfengewalt geführte Kampf zweier oder mehrerer 
Staaten. 
1. Subjekte des Krieges und der dadurch begründeten Rechtsverhältnisse 
(Träger der facultas bellandi) können nur souveräne Staaten als die selbständigen 
Träger völkerrechtlicher Berechtigungen und Verpflichtungen sein. 
a) Privatpersonen (Kolonialgesellschaften) und Staatsteilen 
(entfernten, unter selbständiger Verwaltung stehenden Kolonien) kann 
das Recht zur Kriegführung von ihrem Mutterlande der Ausübung 
nach übertragen werden. Einzelne Staatsbürger, welche die Waffen 
gegen einen fremden Staat ergreifen, werden nach Strafrecht und Stand- 
recht, nicht nach Völkerrecht behandelt (Schill 1809). Darüber Näheres 
unten 88 40 II, 41 II. 
Die Auflehnung der Staatsbürger gegen ihre eigene Staatsgewalt 
(der Bürgerkrieg) ist nicht Krieg im völkerrechtlichen Sinne des 
Wortes und erzeugt daher auch nicht die Rechte und Pflichten der 
Neutralität. Dasselbe gilt von dem Kampfe der Teilstaaten einer Real- 
union oder eines Bundesstaates, sei es untereinander, sei es gegen die 
Zentralgewalt. Dagegen ist Krieg im völkerrechtlichen Sinne möglich 
zwischen den Gliedern einer Personalunion oder eines Staatenbundes. 
b) Die Aufständischen können, wenn sie einen Teil des Staats- 
gebietes tatsächlich besetzt halten und geordnet verwalten, sowie regel- 
mäßige Verbindungen mit den übrigen Staaten zu unterhalten in der 
Lage sind, als kriegführende Macht (partie belligerante) aner- 
kannt werden?). Ein bekanntes Beispiel bietet die Anerkennung der Süd- 
staaten als kriegführende Macht im amerikanischen Sezessionskrieg 
(1861) durch England, Frankreich und andere Mächte. Die Anerkennung 
ii Don nafels, 
lois actuelles de la guerre. 2. Aufl. 1901. Bordwell, The law of war between 
belligerents. 1908. Boidin, Les lois de la guerre et lesdeuxconferencesde la Haye. 
1908. Higgins, The Hague Peace Conferences and other internat. conferences 
concerning the laws and usages of war. 1909. de Louter II 180. Merignhac 
IIl1 8.1. Nys IIIl. Oppenheim II 59. Rivier 377. Ullmann 464. — 
Schönlank, Das Kriegsrecht in den deutschen Befreiungskriegen. Rostocker 
Diss. 1910. Leonhard, Der Einfluß der römischen Rechtsgeschichte auf die 
Kriegsgebräuche der Gegenwart. 1916. 
2) Wiese, Le droit internat. appliqu6 aux guerres civiles 1899. Rogier, Les 
guerres civilesetledroit der gens. 1902. F6raud-Giraud, R. G. II1 277. M£rign- 
hao III1S.16. Oppenheim IL92. — Annuaire XVIII181. Niemeyer, See- 
kriegsrecht 125 (mit reichen Literaturangaben). 
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