$ 39. Der Krieg als völkerrechtliches Rechteverhältnis. 277
bindet nur den anerkennenden Staat; sie verpflichtet ihn vor allem
zur Neutralität. Sie verpflichtet aber auch die anerkannte Partei, sich
den Rechtsregeln des Völkerrechts zu unterwerfen. Vorzeitige Aner-
kennung ist ein unfreundlicher Akt (oben $ 5 IV). — Die von dem
griechischen Parteiführer Venizelos im Jahre 1916 gegen den Vierbund
gerichtete Kriegserklärung entbehrte, da seine Partei als kriegführende
Macht von keiner Seite anerkannt war, jeder völkerrechtlichen Wirkung.
c) Halbsouveräne Staaten haben das Kriegsrecht nur auf
Grund besonderer Vereinbarungen mit dem schützenden Staat oder auf
Grund eines besonderen Gewohnheitsrechtes (oben $ 6 III1). So hat
Ägypten eine Reihe von selbständigen Kriegen geführt und gemeinsam
mit England 1899 den Sudan erobert. Bulgarien hat 1885 (Strupp II?) an-
erkannt, daß es das Recht der Kriegführung nicht :habe, ist aber noch
als halbsouveräner Staat der Genfer Konvention beigetreten.
d) Erhebung des geschützten Staates gegen den Schutzstaat
ist als innerer Kampf zu betrachten, der den nicht beteiligten Mächten
die Pflicht der Neutralität nicht auferlegt®), solange nicht die Aner-
kennung der Aufständischen als kriegführende Partei (oben b) erfolgt ist.
e) Dauernd neutralisierte Staaten haben, vom Falle der
Notwehr abgesehen, das Recht der Kriegführung nicht (oben 8 6 IV).
Genauer gesprochen: der von dem neutralisierten Staate ausgehende
oder gegen ihn gerichtete Angriff hat alle die Rechtswirkungen, die mit
dem Ausbruch des Krieges verbunden sind#); aber der neutralisierte
Staat verletzt eben durch den Beginn der Feindseligkeiten die ihm
auferlegte völkerrechtliche Rechtspflicht. Das Recht des Verteidigungs-
krieges dagegen kann ihm nicht bestritten werden.
fj} Nur der Waffenkampf zwischen Mitgliedern der Völkerrechts-
gemeinschaft ist Krieg im völkerrechtlichen Sinne des Wortes. Der
Kampf gegen außerhalb der Völkerrechtsgemeinschaft stehende Staaten
und Völkerschaften, meist als „militärische Expedition‘ bezeich-
net, ist daher nicht nach den Rechtssätzen des Kriegsrechtes, sondern
nach den Grundsätzen der Menschlichkeit und des Christentums zu be-
urteilen. Auch staatsrechtlich kommt er als Krieg nicht in Betracht.
Über die Intervention der Mächte in China (1900) vgl. oben $ 3 zu
Note 22.
g) Wird der Krieg von mehreren verbündeten Staaten ge-
führt, so kommt jeder von ihnen völkerrechtlich als selbständiges Sub-
3) Sehr bestritten; vgl. Fauchille, R. G. 11156. Feraud-Giraud, R.G.
ID 295. Strupp (unten $40 Note l) 8. 15; gegen den Text Brusa, R. G. IV 157,
Rivier, Principes II209, Fedozzi, R.J. XXVIII 591, Despagnet, Essai sur le
proteotorat. 1896, 8. 336, 3372, Oppenheim II 62.
4) Dagegen Steinlein (unten Note 10) S. 103.