8 40. Die Rechtssätze des Landkriegsrechts. 289
a) Die Vereinbarungen über 6Gebieisabtretungen.
Hier ist der Erwerb (anders als bei der Eroberung) ein abgeleite-
ter, und es finden mithin die oben 8 24 aufgestellten Rechtsregeln An-
wendung. Den Bewohnern der abgetretenen Gebiete pflegt das Options-
recht zugestanden zu werden (oben 810 II 2).
b) Die sogenannte Amnestieklausel, d.h. der Ausschluß der Strafverfol-
gung gegen die beiderseitigen Staaisangehörigen, die während des Krieges an
den Feindseligkelten gegen Ihren Heimatsstaat teilgenommen oder sich politisch
gegen ihr Vaterland vergangen haben.
Die Amnestieklausel pflegt einen festen Bestandteil der Friedens-
verträgs zu bilden. Sie findet sich bereits in Art.II des instrumentum
pacis Osnabrugense 1648 (Strupp I 17) wie in späteren Verträgen. Vgl.
Art.2, Abs.2 des Frankfurter Friedens: „Kein Bewohner der abge-
tretenen Gebiete darf in seiner Person oder seinem Vermögen wegen
.seiner politischen oder militärischen Handlungen während des Krieges
verfolgt, gestört oder zur Untersuchung gezogen werden.“ Die Klausel
ist bei Gebietsabtretungen von besonderer Wichtigkeit, hat aber auch
überall dort Bedeutung, wo politische, nationale oder religiöse Erregung
die Bevölkerung zur Begünstigung des Feindes hingerissen hat. Sie
rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß d@r Friedensschluß mit dem
Gegner auch den Frieden im Innern bringen soll.
c) Die Vereinbarung einer Kriegsentschädigung, die der Beslegte an den
Sieger zu zahlen hat.
Ob der unterlegene Teil dem Gegner eine Vergütung für den Kriegs-
aufwand zu leisten hat, ist eine reine Machtfrage, die sich nicht nach
Rechtsgrundsätzen, sondern nach der Kriegslage entscheidet. Zur
Sicherung der Leistung kann dem Sieger die völlige oder teilweise
militärische Besetzung des dem Besiegten verbleibenden Gebietes als
Territorialgarantie (8 23 I) eingeräumt werden. Vgl. den Frankfurter
Frieden Art.7.
d) Die Berichtigung der Grenzen oder der Vorbehalt ihrer genaueren
Bestimmung.
e) Erwähnung verdient Art. 16 des Frankfurter Friedens vom 10. Mai
1871: „Beide Regierungen .... verpflichten sich gegenseitig, die Gräber
der auf ihren Gebieten beerdigten Soldaten respektieren und unterhalten
zu lassen.“
8 40. Die Rechtssätze des Landkriegsrechts.')
I. Kriegsschauplatz oder Kriegsgebiet im weiteren Sinne, d. h. das Gebiet, auf
dem Feindseligkeiten vorgenommen werden dürfen, ist das gesamte Land- und
1) Vgl.die Literatur oben $39 Notel. Erschöpfend-die Darstellung bei
Meurer und Nippold (oben $ 3 Note 20). Longuet, Le droit actuel de la guerre
v. Liszt, Völkerrecht. 11. Aufl. 19