$ 40. Die Rechtssätze des Landkriegsrechts. 295
Forderungen des öffentlichen Gewissens herausgebildet haben‘, und
hinzufügen, „daß namentlich die Artikel 1 und 2 der angenommenen
Ordnung in diesem Sinne zu verstehen sind‘ (v. Martenssche Klausel).
Denn solche völkerrechtliche Grundsätze, die von allen Seiten ‚aner-
kannt wären, bestehen eben heute noch nicht. Die Kriegführenden wer-
den daran festhalten müssen, der Bevölkerung, die sich in den von
ihnen besetzten Gebieten der Kriegsmacht bewaffnet entgegenstellt,
ohne daß die Voraussetzungen des Art.1 gegeben wären, die Eigen-
schaft der „Kriegführenden‘ nach wie vor zu versagen und gegen sie
alle ihr erforderlich erscheinenden Sicherungsmaßregeln zu ergreifen.
2. Neben den waffentragenden Soldaten stehen auch (außer dem Staats-
haupte und den beim Heere befindlichen, aber die Waffen nicht tragenden
männlichen Mitglieder seiner Familie) die zur Kriegsmacht gehörenden und
ihrer Disziplin dienstlich unterworfenen Nichtkombaitanten, sowie die mit Ge-
nehmigung der Heeresleitung dem Heere folgenden Personen unter dem Schutze
des Völkerrechts. Sie haben, wenn sie von dem Gegner festgenommen worden,
Anspruch auf Behandlung als Kriegsgefangene. Der Walfengebrauch dagegen
ist ihnen und gegen sie untersagt. «
Zu der ersten Gruppe gehören die Militärbeamten mit Einschluß
der Feldgeistlichen; zur zweiten die zugelassenen Vertreter fremder
Mächte. die bei dem Heer dienstlich weilenden nichtmilitärischen Be-
amten des kriegführenden Staates, besonders seine Minister, Parlamen-
tarier, die die Front besuchen, Zeitungsberichterstatter, Lieferanten,
Marketender usw. Auch diese Nichtkombattanten werden, wenn ihre
Festhaltung zweckmäßig erscheint, wie Kriegsgefangene behandelt. Ygl.
Art.3 und 13 der „Ordnung“.
8. Parlamentäre sowie die sie begleitenden Personen sind so lange unver-
letzlich, als sie ihre Rechtsstellung nicht mißbrauchen.
Parlamentäre sind diejenigen Personen, die von einem der Krieg-
führenden beauftragt sind, mit dem Gegner zu unterhandeln. Das Ab-
zeichen des Parlamentärs ist die weiße Fahne. Er kann von einem
Trompeter, Hornisten oder Trommler, sowie von einem Fahnenträger
und einem Dolmetscher begleitet werden. Der Befehlshaber, an:den der
Parlamentär gesandt wird, ist nicht verpflichtet, ihn zu empfangen;
er kann ihn abweisen, darf ihn aber nicht gefangennehmen oder ver-
letzen. Er kann, wenn er ihn empfängt, alle Maßregeln ergreifen, die
erforderlich sind, um ihn zu verhindern, seine Sendung zur Einziehung
von Nachrichten benutzen. Er ist berechtigt, bei Mißbrauch den Par-
lamentär zeitweilig zurückzuhalten. Der Parlamentär verliert sein Recht
der Unverletzlichkeit, wenn „der bestimmte, unwiderlegliche Beweis“
vorliegt, daß er seine bevorrechtigte Stellung dazu benutzt hat, um
Verrat zu üben oder dazu anzustiften. Vgl. Art. 32 bis 34 der
„Ordnung“.