8 40. Die Rechtssätze des Landkriegsrechts, 313
umfaßt aber alle Gegenstände, die unmittelbar oder nach Verarbeitung
zur Kriegführung verwendet werden können, also auch Rohstoffe für
die Herstellung von Kriegsmaterial. Dagegen kann er auf Nahrungs-
und Futtermittel, auf Kleider und Kleiderstoffe, auf Rohstoffe für die
Bedürfnisse der Heimindustrie usw. nicht bezogen werden. Art.48 be-
schränkt die Requisition ausdrücklich auf die Bedürfnisse des Be-
setzungsheeres.
Diese Bestimmungen haben sich im Weltkrieg als unzureichend er-
wiesen. Nicht nur wegen des untrennbaren Zusammenhanges, der zwi-
schen dem Besetzungsheer und den übrigen Heeresteilen besteht, son-
dern besonders wegen der im Kriege notwendig gewordenen Organisierung
der nickt zur Streitmacht gehörenden Bevölkerung, die zur Leistung der
Hilfsdienstpflicht herangezogen worden ist. Das Deutsche Reich hat denn
auch in den von ihm besetzten Gebieten Landesprodukte aller Art, ge-
werbliche Fabrikate und Rohstoffe in ausgedehntem Umfange auch für
die Bedürfnisse der friedlichen Bevölkerung requiriert. Diese Über-
schreitung der durch die Landkriegsordnung gezogenen Schranken fin-
det aber ihre ausreichende Rechtfertigung in dem Notstand, in den
das ganze deutsche Volk und damit das Reich selbst durch den Aus-
hungerungskrieg gebracht worden ist, den England unter Mißachtung
aller Sätze des Seekriegsrechts zu führen unternommen hat.
Ein Entschädigungsanspruch des durch eine solche Requisition
Geschädigten gegen das Deutsche Reich ist, ganz abgesehen von dem
Vorliegen eines Notstandes, schon aus dem Grunde zu verneinen, weil
Ansprüche aus dem Völkerrecht nur dem Staat, nicht der Privat-
person zustehen (oben 85 Note 1 und 8 39 IV4). Der Geschädigte hat
sich daher an den Staat zu halten, unter dessen Schutz er infolge von
Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Niederlassung steht. Diesem bleibt
es vorbehalten, bei den Friedensverhandlungen die Frage zur grundsätz-
lichen Erledigung zu bringen '!?).
VII. Kriegsverträge, d. h. während eines Krieges zwischen den Krieg-
führenden geschlossene Verträge, berechtigen und verpflichten selbstverständ-
lich wie jeder andere Staatsvertrag die vertragschließenden Teile.
1. Kriegsverträge sind entweder Verträge über dauernde Verhält-
nisse, meist Kartelle genannt, so über die Neutralität gewisser Plätze,
über die Behandlung von Parlamentären, den Austausch oder die Be-
handlung von Gefangenen, über den Post- und Telegraphenverkehr usw.;
oder Verträge über einzelne militärische Verhältnisse, Kriegsverträge
im engeren Sinn genannt, die dann meist von den Befehlshabern un-
17) Die durch Anordnung des Reichskanzlers vom 25. April 1914 eingesetzte
„BReichsentschädigungs-Kommission‘‘ gewährt Entschädigungen aus Billigkeits-
gründen im Verwaltungswege.