320 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
nicht das Recht des Gegners, wohl aber das des Staates, dessen Flagge
geführt wird. Dieser hat zu bestimmen, ob er fremden Schiffen im
Notfall den Gebrauch seiner Flagge erlaubt (nicht gestattet in den
Niederlanden). Nach festem Gewohnheitsrecht muß aber das Kriegs-
schiff seine Flagge in dem Augenblick zeigen, in dem es zum Angriff
übergeht.
8. Die Beschießung durch Seestreitkrälte.
Nachdem bereits 1899 für den Landkrieg die Beschießung unver-
teidigter Plätze untersagt war, ist durch das neunte Abkommen von 1907
diese Rechtsregel auch auf den Seekrieg ausgedehnt worden.
a) Artikel 1 verbietet die Beschießung von unverteidigten Häfen,
Städten, Dörfern, Wohnstätten oder Gebäuden durch Seestreitkräfte.
Gegen den zweiten Absatz, der die Beschießung auch dann ausschließt,
wenn die Verteidigung lediglich in dem Legen von unterseeischen Kon-
taktminen vor dem Hafen besteht, haben sowohl das Deutsche Reich
als auch andere Staaten Vorbehalte gemacht.
Von dem Verbot der Beschießung sind jedoch ausgenommen (Art. 2)
Anlagen, Niederlagen, Werkstätten und Einrichtungen, die für die Zwecke
der Kriegsfübrung dienstbar gemacht werden können, mit Einschluß
der im Hafen befindlichen Kriegsschiffe. Diese Gegenstände können
auch in unverteidigten Küstenplätzen durch Geschützfeuer zerstört wer-
den, wenn jedes andere Mittel ausgeschlossen ist, und die Orts-
behörden nicht selbst die Zerstörung vornehmen.
b) Ausnahmsweise ist die Beschdeßung unverteidigter Plätze ge-
stattet, wenn die ÖOrtsbehörde sich weigert, der Anforderung von
Lebensmitteln oder Vorräten nachzukommen, die für das augen-
blickliche Bedürfnis der vor dem Platz liegenden Seestreitmacht be-
nötigt werden. In diesem Falle muß der Beschießung eine ausdrück-
liche Ankündigung vorangehen. Für die Requisitionen gelten dieselben
einschränkenden Bestimmungen wie im Landkrieg. Werden Auflagen
in Geld nicht bezahlt, so ist die Beschießung unter allen Umständen aus-
geschlossen (Art. 3,4).
c) Für den Fall der Beschießung wiederholen die Artikel 5 bis 7
die in den Artikeln 16 bis28 der Ordnung für den Landkrieg gegebenen Be-
stimmungen (Schonung gewisser Gebäude; vorangehende Benachrich-
tigung ; Verbot der Plünderung).
4. Die unterseeischen Kabel im Seekrieg®).
Hier haben sich allgemein anerkannte Rechtssätze noch nicht aus-
gebildet. Die Konvention vom 14. März 1884 (oben $ 29 II 2) bezieht
6) Vgl. außer der zu $29 II 2 angegebenen Literatur: Rey, R. G. VIII 681.
v. Bar, LA. XV4l4d. Dupuis, R.G.X 532. Kraemer, Die unterseeischen
Telegraphenkabel in Kriegszeiten (Rostocker rechtswissenschaftliche Studien I 5).