338 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
näenvertrag 1659, Utrechter Frieden 1713), sowie insbesondere auch
die Bemühungen Preußens, hatten keinen bleibenden Erfolg. Erst durch
die bewaffnete Neutralität (oben S.15) wurde von den neutralen Mäch-
ten unter der Führung Rußlands die Rechtsstellung der am Kriege nicht
beteiligten Staaten für den Seekrieg zur Anerkennung gebracht. Einen
neuen und wesentlichen Fortschritt in der Anerkennung der den Neu-
‚tralen zustehenden Rechte brachte der Pariser Frieden von 1856. Auf
der zweiten Friedenskonferenz 1907 wurden die Rechte und Pflichten
in zwei Konventionen genauer bestimmt, von denen die eine (die 5.)
den Landkrieg, die andere (die 13.) den Seekrieg behandelt. Von be-.
sonderer Wichtigkeit waren die Verhandlungen der Londoner Konfe-
renz 1909. Hier gelang es, die wichtige Materie der Konterbande und
verschiedene damit zusammenhängende Fragen durch gegenseitiges Ent-
gegenkommen in befriedigender Weise, wenn auch nicht abschließend,
zu regeln. Da aber die Erklärung nicht ratifiziert und die freiwillige
Bindung an sie durch die Kriegführenden im Laufe des Weltkrieges
wieder zurückgenommen wurde (oben S.315), sind die Neutralen heute
mehr denn je von der Auffassung der Kriegführenden abhängig, die
naturgemäl mehr die Pflichten, als die Rechte der Neutralen in den
Vordergrund stellen. Dabei ist es von besonderer Bedeutung geworden,
daß nach angelsächsischer Auffassung der Kriegführende berechtigt
ist, dem neutralen Staate den Handel mit dem Feind zu verbieten (siehe
unten IV). Bei dem Wiederaufbau des Völkerrechts wird die Regelang
der den Neutralen zukommenden Rechtsstellung eine der wichtigsten
Aufgaben sein.
2. Die Neutralität ist ein streng zweiseitiges BRechtsverhältnis.
Jede Verletzung, mag sie, von ‘der einen, mag sie von der anderen
Seite ausgehen, erzeugt die Unrechtsfolge, insbesondere die Entschädi-
gungspflicht. Diese entfällt jedoch bei Handlungen, die in Notwehr
oder Notstand (oben 8 25 IV) oder aber als berechtigte Repressalien
(oben 8 38 IV) begangen werden.
Der Begriff der Neutralität läßt Abstufungen nicht zu. Jede Be-
teiligung am Kriege, nicht nur die unmittelbare Teilnahme an den Feind-
seligkeiten der bewaffneten Macht, vernichtet die aus der Neutralität
fließenden Rechte. Auch die sogenannte „wohlwollende Neutra-
lität‘ (neutralit& bienveillante), wie sie auch Art.2 des deutsch-öster-
reichischer Bündnisvertrages vom 7.Oktober 1879 vereinbart, steht,
sobakl sie über die rein diplomatische Unterstützung hinausgeht, im
Widerspruch mit dem Begriff der Neutralität und berechtigt den Geg-
ner dazu. den Freund seines Feindes als Feind zu behandeln. Dagegen
ist es durchaus nicht ausgeschlossen, daß die neutralen Mächte ihre Neu-
tralität durch Aufgebot ihrer Truppenmacht, durch Sperrung ihrer Häfen,
Legung von Seeminen usw. zu verteidigen sich anschicken (bewaff-