346 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
durch das Verhalten der Vereinigten Staaten überboten worden, die
den Neutralen jeden Handel mit dem Feinde, bei Strafe des wirtschaft.
lichen Boykotts, untersagten.
2. Die Freiheit des neutralen Seehandels kommt in den beiden Sätzen
der Pariser Seerechtsdeklaration zum Ausdruck, daß, von Kriegskonterbande
abgesehen, nicht nur neutrales Gut unter neutraler Flagge nicht weggenommen
‚werden darf, sondern such a) feindliches Gut unter neutraler Flagge sowie b) neu-
trales Gut unter feindlicher Flagge der Wegnahme entzogen ist.
Diese Sätze sind das Ergebnis einer langsamen geschichtlichen:
Entwicklung, die mit der Pariser Seerechtsdeklaration (oben S.19)
ihren vorläufigen Abschluß fand.
Die englische und französische Praxis des 16. und 17. Jahrhun-
derts schwankte. Nach englischem Recht wurde, nach der Theorie von
der infection hostile, Schiff und Ladung der Wegnahme unterworfen, wenn
auch nur Schiff oder Ladung feindlich war („confiscantur ex navibus
res et ex rebus naves“). Dagegen wurde nach französischem Recht
neutrales Gut unter feindlicher Flagge weggenommen (Navire con-
fisque cargaison; robe d’ennemi confisque celle d’ami), dafür feindliche
Ware unter neutraler Flagge freigelassen (Le pavillon neulre couvre
marchandise ennemie); es entschied also die Eigenschaft der Flagge:
frei Schiff, frei Gut; unfrei Schiff, unfrei Gut. Nach dem engliseh-fran-
zösischen Handelsvertrag vom 31. März/11. April 1713 (Strupp I 35) sollte
die Flagge entscheiden, Art. XVII: les vaisseaux libres rendront les
marchandises libres. Auf denselben Standpunkt stellte sich die be-
waffnete Neutralität von 1780 (oben S.15); auch sie verlangte Freigabe
der feindlichen Ware unter neutraler Flagge (frei Schiff, frei Gut),
gestattete aber die Wegnahme von neutraler Wäre unter feindlicher
Flagge (unfrei Schiff, unfrei Gut).
Der jetzt geltende Rechtssatz, nach dem neutrale Ware auch auf
feindlichem Schiff freibleibt, war aber bereits in dem Vertrage Frank-
reichs mit den Vereinigten Staaten vom 1.Februar 1778 aufgestellt
worden und hatte Eingang auch teilweise in die Gesetzgebung des
18. Jahrhunderts, so in das preußische allgemeine Landrecht (I 9
88 213, 214) gefunden!!). Die Seerechtsdeklaration von 1856 war das
Ergebnis der Verständigung zwischen Frankreich und England und des
Anschlusses von Rußland. Sie bindet nur die Signatarmächte in ihrem
Verhältnis zueinander. Vielfach aber haben sich auch andere Staaten
durch besordere Staatsverträge (mehrfache Verträge auch des Deutschen
Reichs mit süd- und mittelamerikanischen Staaten; vgl. oben S.279)
zur Beobachtung dieser Sätze verpflichtet. Spanien ist 1908, Mexiko
11) v. Krauel, Preußen und die Freiheit neutraler Güter auf feindlichen
Schiffen (Festgabe für Gierke). 1910.