Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

348 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten. 
secht (ebenso das preußische Prisenreglement vom 20.Juni 1864) hat 
sich ihm angeschlossen. 
Dice spätere Entwicklung hat jedoch dazu geführt, den Begriff der 
Konterbande wesentlich weiter auszudehnen. Er umfaßt nunmehr nicht 
nur bestimmte Gegenstände, die nur für die Zwecke der Krieg- 
führung dienlich sind, sondern alle Gegenstände, die an sich sowohl 
friedlichen als auch kriegerischen Zwecken dienen können (res anci- 
pitis usus), wenn diese GegenständeimeinzelnenFallnach- 
weisbar, sei es unmittelbar, sei es nach vorangegangener Bearbei- 
tung, den Zwecken des Angriffs oder der Verteidigung 
dienen sollen (contrebande relative, conditionnelle oder par accident). 
Unter diesen haben die im modernen Seekrieg immer wichtiger wer- 
denden Kohlen eine besonders hervorragende Rolle gespielt. 
Für den Umfang des Begriffs waren bis in die jüngste Zeit die 
Erklärungen der Kriegführenden maßgebend, soweit nicht besondere 
Vereinbarungen zwischen den beteiligten Staaten bestanden. Auf der 
zweiten Konferenz von 1907 wurde die Frage eingehend besprochen. 
Von englischer Seite wurde angeregt, auf die Wegnahme der Konter- 
bande völlig zu verzichten und nur die „Anforderung“ (Benutzung gegen 
Entschädigung) zu gestatten1?), dagegen aber der Begriff des Hilfs- 
schiffes (oben $41 II) weiter auszubilden; da die Vereinigten Staaten, 
Frankreich, Deutschland und Rußland widersprachen, fiel der Vor- 
schlag. Über die Ausübung des Wegnahmerechts kam es dagegen auf 
der Londoner Konferenz zu wichtigen Vereinbarungen, die in das zweite 
bis vierte und siebente bis neunte Kapitel (Art.22 bis 54, 61 bis 64) 
der „Erklärung“ aufgenommen sind. Der Weltkrieg hat diese Be- 
mühungen zuschanden gemacht und die schrankenlose Herrschaft der 
Macht gebracht. Obwohl nämlich die sämtlichen kriegführenden Mächte 
zunächst die Erklärung abgegeben hatten, sich an die Bestimmungen 
der Londoner Erklärung halten zu wollen, begann England alsbald 
(schon durch die Order vom 20. August 1914), sich über die wich- 
tigsten dieser Bestimmungen hinwegzusetzen, und seine Bundes- 
genossen schlossen sich an. So wurden Waren der Freiliste zu 
Bannware, Gegenstände der relativen zur absoluten Konterbande er- 
klärt, sogar für die Krankenpflege bestimmte Gegenstände weggenom- 
men (deutsche Denkschrift vom 28.Juli 1916), die Lehre von der fort- 
gesetzten Reise auf die relative Konterbande ausgedehnt, das Recht 
der Durchsuchung auf offener See zu einer Gestellungspflicht der 
neutralen Schiffe in einem englischen Hafen gesteigert, die berejts (oben 
S.345) erwähnte Sperre über alle deutschen (nicht die österreichisch- 
13) So sohon der preußisch-amerikanische Vertrag vom 10. September 1785 
Art. XXIlI (Strupp J 82).
	        
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