Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

350 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten. 
Bestimmung das feindliche oder vom Feind besetzte Gebiet oder die 
feindliche Streitmacht ist; die der relativen Konterbande, wenn be- 
wiesen wird, daß die Waren (ihrem Verwendungszwecke nach) für den 
Gebrauch der feindlichen Streitmacht oder von militärischen oder bürger- 
lichen Verwaltungsstellen des feindlichen Staates bestimmt sind. In 
einenı deutsch-französischen Seekrieg würden also Waffen der Be- 
schlagnahme durch deutsche Kreuzer unterliegen, wenn sie auch 
für eine Privatperson in Marseille, Lebensmittel nur dann, wenn sie 
für die französischen Truppen bestimmt sind. Ein verwickeltes System 
von Vermutungen regelt für beide Fälle die Beweisfrage. Wichtig ist 
die Vermutung des Art.34. Bei der relativen Konterbande wird die 
feindliche Bestimmung vermutet, wenn die Sendung an die feindlichen 
Behörden oder an einen im feindlichen Lande ansässigen Händler 
gerichtet ist, von dem feststeht, daß er dem Feinde Gegenstände und 
Stoffe dieser Art liefert. Das gleiche gilt für eine Sendung, die nach 
einem befestigten Platz oder nach einem andern der feindlichen 
Streitmacht als Basis (Operations- wie Ausrüstungsbasis) dienenden 
Platze bestimmt ist; diese Vermutung findet jedoch keine Anwendung 
auf das Handelsschiff selbst, das nach einem dieser Plätze fährt. Ge- 
rade die Dehnbarkeit dieser Bestimmungen wurde in England 1909 bis 
1910 als Grund gegen die Annahme der Londoner Erklärung verwertet. 
Im Weltkriege mußten sie dazu herhalten, den Aushungerungskrieg 
gegen die Mittelmächte zu rechtfertigen. 
Bei der absoluten Konterbande macht es keinen Unterschied, ob 
die Zuführung unmittelbar erfolgt, oder ob sie noch eine Umladung auf 
ein anderes Schiff oder eine Beförderung zu Lande erfordert (Aner- 
kennung der „Reisetheorie“)!4); die relative Konterbande unterliegt 
der Beschlagnahme 'nur, wenn das Schiff sich auf der Fahrt nach dem 
feindlichen oder vom Feind besetzten Gebiet oder zur feindlichen 
Streitmacht befindet, und die Gegenstände nicht in einem Zwischen- 
hafen ausgeladen werden sollen (Ablehnung der „Reisetheorie‘‘) !4). 
b) Das Schiff, das der Beschlagnahme unterliegende Gegenstände 
der absoluten oder relativen Konterbande befördert, kann während 
der ganzen Dauer seiner Reise beschlagnahmt werden, selbst 
wenn es die Absicht hat, einen Zwischenhafen anzulaufen, bevor es 
die feindliche Bestimmung erreicht; dagegen ist die Beschlagnahme nach 
bereits vollendeter Beförderung der Konterbande ausgeschlossen. 
  
14) Über die Reisetheorie vgl. auch oben Note 12 und $41 Note8.— Hübner, 
Die Theorie von der Einheitlichkeit der Reise im Kriegskonterbanderecht. 1908. 
Woothke, Die Theorie der Einheit der Reise der Kriegskonterbandegüter. 
Tübinger Diss. 1910. Gilge, Die Anwendung von der Lehre von der einheitlichen 
Reise auf die Zuführung von Kriegskonterbande. Breslauer Diss. 10915.
	        
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