352 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
förderung von feindlichen Truppen oder zum Nachrichtendienst im
Interesse des Feindes bestimmt ist. In diesem Falle wird das Schiff
wie ein feindliches Handelsschiff behandelt.
d) Jede in die feindliche Streitmacht eingereihte Person, die an
Bord eines neutralen Handelsschiffes betroffen wird, kann zum Kriegs-
gefangenen gemacht werden, auch wenn des Schiff der Beschlagnahme
nicht unterliegt (vgl. oben 840 IV 1).
5. Der Kriegführende hat das Recht, neutrale Handelsschifte anzuhalten
und zu durchsuchen, um die Beförderung von Kriegskonterbande oder die
neutralitätswidrige Unterstützung feststellen zu können.
a) Anhaltung und Durchsuchung erfolgt in der oben S.334 ge-
schilderten Weise.
b) Neutrale Schiffe unter dem Geleit (convoi) ihrer
Kriegsflagge sind von der Durchsuchung befreit (Art61,
62)1%6). Das Recht des Convoi, das bis dahin von England bestritten
war, ist damit anerkannt. Das Deutsche Reich hatte in verschiedenen
Verträgen mit den süd- und mittelamerikanischen Staaten diesen Rechts-
satz ausdrücklich ausgesprochen. Vgl. Art. XXI Absatz 4 des früheren
Deutschen Freundschafts- usw. Vertrages mit Salvador vom 183. Juni
1870 (R.G.B. 1872 S.377). Dieselbe Ansicht vertraten Frankreich wäh-
rend des Kriegs 1870/71 und das Institut für Völkerrecht 1887. Da-
gegen hat die deutsche Delegation (ohne Auftrag ihrer Regierung) in
London das Recht des Geleites vergeblich bekämpft. Mißbrauch ist
selbstverständlich möglich; insbesondere kann der Kommandant des
Geleitschiffes getäuscht worden sein. Verdachtsgründe berechtigen das
anhaltende Kriegsschiff aber nicht zur Durchsuchung, sondern nur zur Mit-
teilung an das Geleitschiff, dessen Kommandant darüber zu entscheiden
hat, ob er dem verdächtigen Schiff den Schutz des Geleites entziehen
will oder nicht. Nur im ersteren Falle ist die Wegnahme gestattet; im
letzteren muß die Meinungsverschiedenheit auf diplomatischem Wege
ausgetragen werden.
Die Bestimmungen über das Geleit finden auf die neutralitätswidrige
Unterstützung (oben unter 4) unmittelbar, auf die Annäherung an die
blockierte Küste entsprechende Anwendung. Verschieden von dem
hier besprochenen Geleit ist dagegen die Begleitung von Schiffen
durch Kriegsschiffe in dem Sperrgebiet (oben 841 III6); diese ein
Akt der Kriegführung, der keine Rechtswirkungen erzeugt.
c) Neutrale Postdampfer sind von der Anhaltung und Durch-
suchung nicht befreit; doch soll die Untersuchung nur im Notfall
unter möglichster Beschleunigung vorgenommen werden. Die auf ihnen
gefundenen Briefpostsendungen sind unverletzlich (oben $ 41 VI 4); erfolgt
16) Hold v. Ferneck 1916.