362 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
Gegner in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, zurückzuführen sind.
Kehren doch manche dieser Erzählungen mit denselben typischen Wen-
dungen in allen Kriegen wieder. Auch nach Abzug dieser Fälle bleibt
eine schmerzlich große Zahl unzweifelhafter Scheußlichkeiten übrig
(Verhalten der russischen Truppen in Ostpreußen; der farbigen Hilfs-
kräfte von Engländern und Franzosen); aber diese Zahl reicht nicht
entfernt heran an die Summe der von beiden Seiten behaupteten
Kriegsgreuel.
2. Eine weitere, mindestens ebenso große Zahl von angeblichen Rechts-
verletzungen scheidet völlig aus, weil der angebliche Rechtssatz überhaupt
nicht in zweifelloser Geltung und unbestrittener Auslegung besteht,
Ganz besondere Schwierigkeiten bieten die Abkommen von 1899
und 1907. Und zwar zunächst wegen der zahlreichen Vorbehalte,
die von den einzelnen Signatarmächten zu den verschiedenen Bestim-
mungen gemacht worden sind (vgl. oben 822 III S.164). Das führt,
abgesehen von .der dadurch hervorgerufenen Unsicherheit, zu der ver-
wirrenden Rechtslage, daß von zwei verbündeten Kriegführenden zwar
der eine, nicht aber der andere an eine Bestimmung gebunden sein kann.
Dann aber hat sich gerade im Weltkrieg die sogenannte Solidari-
tätsklausel .(oben 822 III S.164), die sich, mit Ausnahme der
drei ersten, in sämtlichen Abkommen von 1907 findet, als verhäng-
nisvoll erwiesen. Wenn auch nur eine der am Kriege beteiligten
gegen England vom 28. Juli 1916, abgedruckt K. Z. X 196); ferner Denkschriften
des Reichskolonialamts über das Verhalten der englischen usw. Truppen gegen die
weiße Bevölkerung der deutschen Schutzgebiete Kamerun und Togo 1916; über
die Kolonialdeutschen aus Kamerun und Togo in französischer Gefangenschaft
1917. Eine zusammenfassende Ausgabe der deutschen Denkschriften ist leider
nioht vorhanden. — Wertvoll die Sammlung von Nachweisen über die Verletzungen
des Völkerrechts durch die mit Österreich-Ungarn kriegführenden Staaten. Hersus-
gegeben vom k. und k. Ministerium des Äußeren. 1915. — 2. Aus den Denkschrif-
ten der Verbandsmächte erwähne ich: Rapports sur la violation du droit des
gens en Belgique. 1915. Les atrocit6s allemandes. Offizieller Bericht vom 7. Januar
1915. Rapports eto. de la commission install&6 en vue de constater les actes oommis
par l’ennemi en violation du droit des gens. Bisher 5 Bände. Les Allemands &
Lille .et dans le Nord de la France, Note der französischen Regierung an die neu-
tralen Mächte vom 25. Juli 1916. Mömoire du gouvernement du roi sur la döpor-
tation et le travail forc& de la population civile belge ordonnes par le gouver-
nement allemand. 1917 (bespricht die Gesamtlage des besetzten Gebietes in Bel-
gien). Dazu Pooseleog, Lesdöportations belges a la lumiöre des documents alle-
mands. 1917. — Typisch für diedurch die Kriegshypnose erzeugte Leichtgläubigkeit:
Bedier, Les crimes allemands d’apr&s des t£moignages allemands. 1915. Dazu
Kuttner, Deutsche Verbrechen? 1915. Report of the committee on alleged
German outrages (Vorsitzender Bryce) 1915. Dazu Clemen, Die deutschen Greuel
in Belgien und Nordfrankreich nach dem offiziellen englischen Bericht. 1916. —
Über die gegnerischen ‚„‚Greuelbücher“ vgl. im allgemeinen Müller-Meiningen
I 438,
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