Verordnung betr. Grundsätze des Seerechts, vom 12. Juni 1856. 379
Erklärung.
Die Bevollmächtigten, welchen den Pariser Vertrag vom dreissigsten März
Eintausend achthundert und sechs und funfzig unterzeichnet haben, sind nach
stattgehabter Berathung, in Betracht:
dass das Seerecht in Kriegszeiten während langer Zeit der Gegenstand be-
dauerlicher Streitigkeiten gewesen ist;
dass die Ungewissheit der in dieser Beziehung obwaltenden Rechte und
Pfliohten zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Neutralen und den Krieg-
führenden Anlass giebt, aus denen ernste Schwierigkeiten und selbst Konflikte
entspringen können;
dass es folglich zum Nutzen gereicht, gleichmässige Grundsätze über einen
so wichtigen Punkt festzustellen;
dass die auf dem Kongress zu Paris versammelten Bevollmächtigten den
Absichten, von welchen ihre Regierungen beseelt sind, nicht besser zu entsprechen
vermögen, als indem sie feststehende Grundsätze hierüber in die völkerrecht-
lichen Beziehungen einzuführen suchen;
mit gehöriger Ermächtigung versehen, übereingekommen, sich über die
Mittel zur ichung dieses Zweckes zu verständigen, und haben, nach erzieltem
Einverständniss, die nachstehende feierliche Erklärung beschlossen:
1) Die Kaperei ist und bleibt abgeschafft;
2) die neutrale Flagge deckt das feindliche Gut, mit Ausnahme der Kriegs-
Kontrebande;
3) neutrales Gut unter feindlicher mit Ausnahme der Kriegs-Kontre-
bande, darf nicht mit Beschlag belegt werden;
4) die Blokaden müssen, um rechtsverbindlich zu sein, wirksam sein, das
heisst, durch eine Streitmacht aufrecht erhalten werden, welche hinreicht, um
den Zugang zur Küste des Feindes wirklich zu verhindern.
Die Regierungen der unterzeichneten Bevollmächtigten verpflichten sich,
diese Erklärung zur Kenntniss derjenigen Staaten zu bringen, welche nicht zur
Theilnahme an dem Pariser Kongresse berufen waren, und sie zum Beitritte ein-
zuladen.
In der Ueberzeugung, dass die hiermit von ihnen verkündigten Grundsätze
von der ganzen Welt nur mit Dank aufgenommen werden können, bezweifeln die
unterzeichneten Bevollmächtigten nicht, dass diese Bemühungen ihrer Regie-
rungen, denselben die allgemeine Anerkennung zu verschaffen, von vollständigem
Erfolge gekrönt sein werden.
Gegenwärtige Erklärung ist und wird nur zwischen denjenigen Mächten
verbindlich sein, welche ben beigetreten sind, oder beitreten werden.
Geschehen zu Paris den sechszehnten April Eintausend achthundert und
sechs und funfzig.
Buol-Schauenstein. Hübner. A. Walewski. Bourqueney.
Clarendon. Cowley. Manteuffel. Hatzfeldt. Orloff. Brunnow.
C. Cavour. v. Vjllamarina. Aali. Mehemmed Djemil.
wird hierdurch von Uns genehmigt.
Unser Ministerpräsident und Minister der auswärtigen Angelegenheiten
ist mit der Ausführung beauftragt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei-
gedrucktem Königlichen Insiegel. -
Gegeben Sanssouci, den 12, Juni 1856,
(L. S.) Friedrich Wilhelm,
.v. Manteuffel.