Vertrag zwischen Deutschland usw. und der Türkei vom 13. Jul 1878. 399
Die Hohe Pforte tritt an Persien die Stadt und das Gebiet von Khotur
ab, sowie dasselbe durch die gemischte englisch-russische Kommission für die
Festsetzung der Grenzen zwischen der Türkei und Persien bestimmt worden ist.
Art.61. Die Hohe Pforte verpflichtet sich, ohne weiteren Zeitverlust die
Verbesserungen und Reformen ins Leben zu rufen, welche die örtlichen Bedürf-
nisse in den von den Armeniern bewohnten Provinzen erfordern, und für die
Sicherheit derselben gegen die Tscherkessen und Kurden einzustehen. Sie wird
in bestimmten Zeiträumen von den zu diesem Zwecke getroffenen Massregeln
den Mächten, welche die Ausführung derselben überwachen werden, Kennt-
niss geben.
Art.62. Nachdem die Hohe Pforte den Entschluss kundgegeben hat, den
Grundsatz der religiösen Freiheit aufrecht zu erhalten und demselben die weiteste
Ausdehnung zu geben, nehmen die vertragschließenden Theile von dieser frei-
illigen Erklärung Akt.
In keinem Theile des Ottomanischen Reichs darf der Unterschied der Religion
Jemanden gegenüber geltend gemacht werden als ein Grund der Ausschliessung
oder der Unfähigkeit bezüglich der Ausübung der bürgerlichen und politischen
Rechte, der Zulassung zu den öffentlichen Diensten, Aemtern und Ehren oder
der Ausübung der verschiedenen Berufs- und Gewerbszweige.
Jedermann soll, ohne Unterschied der Religion, als Zeuge vor den Gerichten
zugelassen werden.
Die Freiheit und die öffentliche Ausübung aller Kulte werden Allen zu-
gesichert, und es darf weder der hierarchischen Organisation der verschiedenen
igionsgemeinschaften, noch den Beziehungen derselben zu ihren geistlichen
Oberen ein Hinderniss entgegengestellt werden.
Die in der europäischen oder asiatischen Türkei reisenden Geistlichen, Pilger
und Mönche aller Nationalitäten sollen die gleichen Rechte, Vortheile und Privi-
legien geniessen.
Das Recht der amtlichen Schutzgewährung steht den diplomatischen und
konsularischen Vertretern der Mächte in der Türkei sowohl bezüglich der vor-
erwähnten Personen als auch der von denselben zu religiösen, Wohlthätigkeits-
und anderen Zwecken an den Heiligen Orten und anderwärts gemachten An-
lagen zu.
e Die bestehenden Rechte Frankreichs werden ausdrücklich gewahrt, und
man ist einverstanden darüber, dass kein Eingriff in den gegenwärtigen Zustand
an den Heiligen Orten geschehen soll.
Die Mönche des Berges Athos, aus welchem Lande sie auch immer stammen
mögen, sollen in ihren bisherigen Besitzungen und Vorrechten geschützt bleiben
und, ohne irgend welche Ausnahme, eine vollständige Gleichheit der Rechte
und Prärogative geniessen.
Art.63. Der Pariser Vertrag vom 30. März 1856 sowie der Londoner Ver-
trag vom 13. März 1871 werden in allen denjenigen ihrer Bestimmungen aufrecht
erhalten, welche durch die vorstehenden Vereinbarungen nicht aufgehoben oder
abgeändert worden sind.
Art.64. Der gegenwärtige Vertrag wird ratifizirt werden, und sollen die
Ratifikations-Urkunden zu demselben in Berlin in einer Frist von drei Wochen
oder, wenn thunlich, früher ausgewechselt werden.
Zur Beglaubigung dessen haben die betreffenden Bevollmächtigten den-
selben unterzeichnet und den Abdruck ihrer Wappen beigesetzt.
Geschehen zu Berlin am dreizehnten Juli achtzehnhundert acht und siebenzig.
(L.S.) v. Bismarck. B. Bülow. Hohenlohe. Andrässy. Köärolyi.
Haymerle. Waddington. Saint Vallier. H. Desprez. Beaconsfield.
Salisbury. Odo Russell. L. Corti. Launay. Gortchacow. Schouvaloff
P.D’Oubril. Al. Carathöodory. Mehemed Ali. Sadoullah.
Der vorstehende Vertrag ist ratifizirt worden und es hat die Auswechselung
der Ratifikations-Urkunden in Berlin am 3. August 1878 stattgefunden.