$ 3. Geschichte des Völkerrechts. 33
don eingeladen, um über eine Kodifizierang des Seekriegsrechts zu
beraten und zu beschließen. Vertreten waren, außer England selbst,
die andern sieben Großmächte, sowie Spanien und die Niederlande. Die
Beratungen dauerten vom 4. Dezember 1908 bis zum 26. Februar 1909.
Das Ergebnis war eine Erklärung über das Seekriegsrecht, die in neun
Kapiteln Bestimmungen über die Blockade in Kriegszeiten, die Kriegs-
konterbande, die neutralitätswidrige Unterstützung, die Zerstörung
neutraler Prisen, den Flaggenwechsel, die feindliche Eigenschaft, das
Geleit, den ‚Widerstand gegen die Durchsuchung und den Schadenersatz
enthält (s. Anhang)?). An dem Seebeuterecht wurde nichts geändert.
Die Ablehnung der Naval prize bill, welche die Bestimmungen der Er-
klärung in das englische Recht einführen sollte, durch das Oberhaus am
12.Dezember 1911 hat das Zustandekommen des Prisenhofes auf un-
bestimmte Zeit hinausgeschoben.
4. Der Marokkostreit. Trotz des deutsch-französischen Marokko-
Abkommens vom 8.Februar 1909 dauerten die Meinungverschieden-
heiten zwischen Frankreich und dem Deutschen Reiche fort (Ansprüche
der Gebrüder Mannesmann). Die nach dem Zwischenfall von Agadir
(am 2.Juli 1911) wieder aufgenommenen Verhandlungen führten zu
den beiden Abkommen vom 4.November 1911. In diesen erklärte das
Deutsche Reich seine Zustimmung zu dem französischen Protektorat
über Marokko, wofür es durch Abtretung eines Gebietes des französi-
schen Kongos entschädigt wurde. Frankreich hat durch Vertrag mit
dem Sultan vom 30. März 1912 seine Schutzherrschaft über Marokko,
unter Vorbehalt einer für Spanien reservierten Zone und der internatio-
nalen Sonderstellung der Stadt Tanger, begründet %).
5. Unter den Ereignissen von geringerer Bedeutung ist zunächst
die friedliche Lösung der Schwedisch-Norwegischen Union
durch Volksabstimmung in Norwegen vom 13. August 1905 zu erwähnen.
Sie führte nach der Übereinkunft zu Karlstad vom 23. September 1905
33) Der Schlußbericht von Renault ist abgedruckt R.G. XVI doc.1. —
Vgl. Lemonon, R. J. XLI 239, 435. Derselbe, La conförence navale de Londres.
1909. Hold v. Ferneck, in Grünhuts Zeitschrift XXXVI 301. Schramm,
Die Verhandlungen und Beschlüsse der Londoner Seekriegsrechtskonferenz. 1911.
Bentwich, The declaration of London etc. 1911. Catellani, La dichiarazione
di Londra etc. 1912. — Über die Verhandlungen im englischen Parlament:
Dupuis, R. G. XVIII 369, XIX 58. — Die Materialien der Konferenz finden sich
in den Proceedings usw. 2 Bde. 1909 und bei Niemeyer II und IIl.
34) Die beiden Abkommen von 1911 sind abgedruckt R.G.Bl. 1912, 8. 197.
Dazu Strupp, Erstes Ergänzungsheft S.13. Hier 9. 6 auch der spanisch-marok-
kanische Vertrag vom 16. November 1910. Dokumente zur Marokkofrage im
Jahrbuch Il. Vgl. N.R.G. 3. s. V 643, VIII, 103ff. Laband, D.J. Z. XVII.
Basdevant und Niemeyer im Jahrbuch 1742, 803. — Der französisch-spe-
nische Marokkovertrag vom 27. November 1912 findet sich in K. Z. VI 473. Vgl.
dazu Strupp, K.Z. VI581.
v Liszt, Völkerrecht. 11. Aufl. 3