VI. Abkommen (Kauffahrteischiffe bei Kriegsausbruch). Vom 18. Okt. 1907. 481
Art.2. Ein Kauffahrteischiff, das infolge höherer Gewalt den feindlichen
Hafen nicht binnen der im vorstehenden Artikel erwähnten Frist hat verlassen
können oder dem das Auslaufen nicht gestattet worden ist, darf nicht eingezogen
werden.
Der Kriegführende darf es nur entweder unter der Verpflichtung, es nach
dem Kriege ohne Entschädigung zurückzugeben, mit Beschlag belegen oder gegen
Entschädigung für sich anfordern.
Art.3. Die feindlichen Kauffahrteischiffe, die ihren letzten Abfahrtshafen
vor dem Beginne des Krieges verlassen haben und in Unkenntnis der Feind-
seligkeiten auf See betroffen werden, dürfen nicht eingezogen werden. Sie unter-
liegen nur entweder der Beschlagnahme unter der Verpflichtung, daß sie nach
dem Kriege ohne Entschädigung zurückgegeben werden, oder der Anforde
oder selbst Zerstörung gegen Entschädigung und unter der Verpflichtung, da
für die Sicherheit der Personen und die Erhaltung der Schiffspapiere gesorgt wird.
Sobald diese Schiffe einen Hafen ihres Landes oder einen neutralen Hafen
berührt haben, sind sie den Gesetzen und Gebräuchen des Seekriegs unter-
worfen.
Art.4. Die feindlichen Waren, die sich an Bord der in den Artikeln 1, 2
bezeichneten Schiffe befinden, unterliegen ebenfalls, zusammen mit dem Schiffe
oder allein, entweder der Beschlagnahme, wobei sie nach dem Kriege ohne Ent-
schädigung zurückzugeben sind, oder der Anforderung gegen Entschädi .
Das gleiche gilt für Waren, die sich an Bord der im Artikel 3 bezeichneten
Schiffe befinden.
Art.5. Dieses Abkommen erstreckt sich nicht auf solche Kauffahrtei-
schiffe, deren Bau ersehen läßt, daß sie zur Umwandlung in Kriegsschiffe be-
stimmt sind.
Art.6. Die Bestimmungen dieses Abkommens finden nur zwischen den
Vertragsmächten Anwendung und nur dann, wenn die Kriegführenden sämtlich
Vertragsparteien sind.
Art.7. Dieses Abkommen soll möglichst bald ratifiziert werden.
Die Ratifikationsurkunden sollen im Haag hinterlegt werden.
Die erste Hinterl von Ratifikationsurkunden wird durch ein Protokoll
festgestellt, das von den Vertretern der daran teilnehmenden Mächte und von
dem Niederländischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten unterzeich-
‚net wird.
Die späteren Hinterlegungen von Ratifikationsurkunden erfolgen mittels
einer schriftlichen, an die Regierung der Niederlande gerichteten Anzeige, der die
Ratifikationsurkunde beizufügen ist.
Beglaubigte Absohrift des Protokolls über die erste Hinterlegung von Rati-
fikstionsurkunden, der im vorstehenden Absatz erwähnten Anzeigen sowie der
Ratifikationsurkunden wird durch die Regierung der Niederlande den zur Zweiten
Friedenskonferenz eingeladenen Mächten sowie den anderen Mächten, die dem
Abkommen beigetreten sind, auf diplomatischem Wege mitgeteilt werden. In
den Fällen des vorstehenden Absatzes wird die bezeichnete Regierung ihnen
zugleich bekanntgeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.
Art.8. Die Mächte, die nicht unterzeichnet haben, können diesem Ab-
kommen später beitreten.
Die Macht, die beizutreten wünscht, hat ihre Absicht der Regierung der
Niederlande schriftlich anzuzeigen und ihr dabei die Beitrittsurkunde zu über-
senden, die im Archive der bezeichneten Regierung hinterlegt werden wird.
Diese Regierung wird unverzüglich allen anderen Mächten beglaubigte
Abschrift der Anzeige wie der Beitrittsurkunde übersenden und zugleich angeben,
an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.
Art.9. Dieses Abkommen wird wirksam für die Mächte, die an der ersten
Hinterlegung von Ratifikationsurkunden teilgenommen haben, sechzig Tage
nach dem Tage, an dem das Protokoll über diese Hinterlegung aufgenommen ist,
und für die später ratifizierenden oder beitretenden Mächte sechzig Tage, nach-
dem die Regierung der Niederlande die Anzeige von ihrer Ratifikation oder von
ihrem Beitritt erhalten hat.
v. Liezt, Völkerrecht. 11. Aufl. 3