520 Schlußprotokoll der Londoner Seekriegsrechts- Konferenz (1909).
feindlichen Schiffes verbundenen Folgen zu entgehen. Indes spricht die Ver-
mutung für die Nichtigkeit, sofern sich die Übertragungsurkunde nicht an Bord
befindet und das Schiff die Nationalität des Kriegführenden weniger als sechzig
Tage vor Beginn der Feindseligkeiten verloreu hat; der Gegenbeweis ist zulässig.
Eine unwiderlegliche Vermutung spricht für die Gültigkeit eines Über-
‚ der mehr als dreißig Tage vor Beginn der Feindseligkeiten herbeigeführt
worden ist, wenn er unbedi und vollständig ist, der Gesetzgebung der be-
teiligten Länder entspricht und zur Folge hat, daß die Verfügung über das Schiff
und der Gewinn aus seiner Verwendung nicht in denselben Händen wie vor dem
Übergange bleiben. Hat jedoch das Schiff die Nationalität des Kriegführenden
weniger als sechzig Tage vor Beginn der Feindseligkeiten verloren und befindet
sich die Übertragungsurkunde nicht an Bord, so kann die Beschlagnahme des
Schiffes nicht zum Schadensersatz Anlaß geben.
Art.56. Der nach Beginn der Feindseligkeiten herbeigeführte Übergang
eines feindlichen Schiffes zur neutralen Flagge ist nichtig, falls nicht bewiesen
wird, daß dieser Übergang nicht herbeigeführt worden ist, um den mit der Eigen-
schaft eines feindlichen Schiffes verbundenen Folgen zu entgehen.
Jedoch spricht eine unwiderlegliche Vermutung für die Nichtigkeit:
1. wenn der Übergang herbeigeführt worden .ist, während sich das Schiff
auf der Reise oder in einem blockierten Hafen befand;
2. wenn ein Rückkaufsrecht oder Rückfallsrecht vorbehalten ist;
3. wenn die Bedingungen nicht erfüllt worden sind, von denen das Flaggen -
recht nach der Gesetzgebung der geführten Flagge abhängt.
Sochstes Kapitel. Feindliche Eigenschatt.
Art.657. Vorbehaltlich der Bestimmungen über den Flaggenwechsel, wird
die neutrale oder feindliche Eigenschaft eines Schiffes durch die Flagge bestimmt,
zu deren Führung es berechtigt ist.
Der Fall, wo ein neutrales Schiff eine ihm in Friedenszeiten nicht gestattete
Schiffahrt betreibt, bleibt außer Betracht und wird durch diese Regel in keiner
Weise berührt.
Art. 68. Die neutrale oder feindliche Eigenschaft der an Bord eines feind-
lichen Schiffes vorgefundenen Waren wird durch die neutrale oder feindliche Eigen-
schaft des Eigentümers bestimmt. |
Art. 69. Ist die neutrale Eigenschaft der an Bord eines feindlichen Schiffes
vorgefundenen Ware nicht nachgewiesen, so wird vermutet, daß die Ware feind-
lich ist.
Art.60. Die feindliche Eigenschaft der an Bord eines feindlichen Schiffes
verladenen Ware bleibt bis zur Ankunft am Bestimmungsorte bestehen, un-
geschtet eines im Verlaufe der Beförderung nach Beginn der Feindseligkeiten
eingetretenen Eigentumswechsels.
Übt jedoch vor der Wegnahme im Falle des Konkurses des derzeitigen
ıeindlichen Eigentümers ein früherer neutraler Eigentümer ein gesetzliche Rück-
forderungsrecht in Ansehung der Ware aus, so nimmt diese die neutrale Eigenschaft
wieder an.
Siebentes Kapitel. Geleit.
Art.61. Neutrale Schiffe unter dem Geleit ihrer Kriegsflagge sind von der
Durchsuchung befreit. Der Kommandant des Geleitschiffs hat dem Komman-
danten des Kriegsschiffs eines Kriegführenden auf sein Ersuthen fiber die Eigen-
schaft der Schiffe und über ihre I.adung schriftlich jede Auskunft zu geben, zu
deren Erlangung die Durchsuchung dienen würde.
Art.62. Hat der Kommandant des Kriegsschiffs eines Kriegführenden
Ursache anzunehmen, daß der Kommandant des Geleitschiffs getäuscht worden
ist, so teilt er ihm seine Verdachtsgründe mit. In diesem Falle steht es allein dem
Kommandanten des Geleitschiffs zu, eine Nachprüfung vorzunehmen. Er muß
das Ergebnis der Nachprüfung in einem Protokolle feststellen, das in Abschrift
dem Offizier des Kriegsschiffs zu übergeben ist, Rechtfertigen die so festgestellten
Tatsachen nach Ansicht des Kommandanten des Geleitschiffs die Beschlagnahme
eines oder mehrerer Schiffe, so muß diesen der Schutz des Geleits entzogen werden.