8 5. Die Staaten als Rechtssubjekte des Völkerrechts. 43
II. Staat im Sinne des Völkerrechts ist die selbsitherrliche Gebietskörper-
schaft; d. h. die auf einem bestimmten Gebiete angesiedelte, durch eine selbst-
ständige und unabhängige Herrschergewalt zusammengefaßte, menschliche
Gemeinschaft. Zum Begriff des Staates gehören mithin drei Merkmale: 1. die
Staatsgewalt; 2. das Staatsgeblet: 8. das Staatsvolk.
Subjekte des Völkerrechts sind daher nicht:
1. Nomadisierende Stämme. Die mit ihnen geschlossenen
Verträge können völkerrechtlich nicht als Rechtstitel für derivativen
Erwerb, sondern nur als Beweismittel für tatsächliche Besitzergreifung
(unten 8 10 III) in Betracht kommen).
2. Die von Einzelnen oder von privaten Gesellschaften ausgehenden
kolonisatorischen Unternehmungen. Jedoch ist zu be-
merken:
a) Diese Unternehmungen werden zu selbständigen Staaten in dem
Augenblick, in dem sich in ihnen die dgei Merkmale des Staatsbegriffes
vereinigen, in dem sie also auf einem abgegrenzten Gebiete die Ord-
nung im Innern und den Schutz nach aufeu zu gewährleisten vermögen.
Von diesem Augenblicke ab können sie als Subjekte des Völkerrechtes
in die Staatengemeinschaft eintreten, daher auch die Hobeitsrechte wei-
ter übertragen. Dabei mag wohl im Einzelfall die Bestimmung des Zeit-
punktes Schwierigkeiten bieten, in dem der geschichtliche Entwickfungs-
prozeß der Staatsbildung zum Abschluß gelangt, der nasciturus zum
selbständigen Lebewesen geworden ist. Besonders bestritten ist der
Zeitpunkt, in welchem die internationale Gesellschaft des Kongo zum
Kongostaat geworden ist. Verträge, die mit der Gesellschaft 1884
und 1885 geschlossen worden sind*) (mit dem Deutschen Reich am
8.November 1884, R.G.Bl. 1885. S.211; s. Anhang), sprechen davon,
daß „die Flagge der Gesellschaft als diejenige eines befreundeten
Staates anerkannt“ werde. Die förmliche Aufnahme des Kongostaates.
in die Völkerrechtsgemeinschaft erfolgte allerdings erst in den Sitzungen
vom 23. und 26. Februar 1885; aber der Kongostaat ist nicht erst durch
nationalen Prisenhof soll unter Umständen dem einzelnen Stastsbürger zustehen
(unten 843 III2). Man erinnere sich auch der Vorschläge, die dem einzelnen
ein Klagerecht gegen den Schuldnerstaat vor einem internationalen Gerichtshof
geben wollen (unten $ 17 II 4), sowie an die Regelung des Rechtstellung der
neutralen Staatsangehörigen in dem 5. Abkommen von 1907 (unten $42 113).
Aber gerade diese schüchternen und unklaren Ansätze lassen den heute noch
geltenden Regelsatz um so schärfer hervortreten.
3) Abweichend Heilborn. bei Stier-Somlo Il 8.13.
4) Vor, während und nach der Kongokonferenz. Aufgezählt bei Fleisoh-
mann 193. — Vgl. Jozon, L’Etat indep. du Congo. 1900. Nys, R.J. XXXV
333. Descamps, L’Afrique nouvelle 1903. v. Stengel, Der Kongostasat.
1903. Hasse, H.St. V155. Weitere Literatur bei Strupp II78 Note2 und
oben $ 3 Note 38.